Flut
Münder fast berühren, und atmen gleichzeitig ein und aus. Ihre Haut ist immer kalt, als staute sich die Wärme in ihrem Inneren. Selbst von ganz Nahem betrachtet spricht aus ihren smaragdgrün-kaffeebraunen Augen eine abwartende, unentschlossene Haltung.
Eines Morgens wacht er auf und sieht sie seine Wohnung putzen. Während sie mit einem Feudel den Boden wischt, hängen die Teppiche aus dem Fenster, der ätzende Geruch des Chlorwassers harmonisiert auf seltsame Art mit der kalten Meeresbrise. Er wirft ein, das sei nicht nötig, die Wohnung sei doch sauber, aber sie reagiert nicht. Als er am nächsten Abend zu ihr kommt, fällt ihm auf, wie dreckig es bei ihr ist, aber er behält es für sich.
Sie mag es, hart angepackt und gevögelt zu werden. Er versucht, alles zu geben, zerrt sich dabei einen Rückenmuskel und leckt sie so ausdauernd, dass sein Zungenband reißt. Sie enthaart ihn und verspricht, dass er es nicht bereuen werde, und er bereut es auch nicht. Er legt sich auf sie und drückt seine Brust gegen ihren dunklen Rücken, um sie zu wärmen. Er streicht mit den Fingern über ihren Arm, der ausgestreckt neben ihrem Kopf liegt, und über die Venen und Sehnen unter der zarten Haut ihres Handgelenks. Sie fragt, was er hat. Nichts, sagt er.
An einem Sonntag fahren sie mit dem Motorrad nach Florianópolis, gehen ins Kino in eine Doppelvorstellung und danach in einem Shoppingcenter zu McDonald’s. In einem der Filme sucht Angelina Jolie nach ihrem verschollenen Kind, im anderen wird Brad Pitt als alter Mann geboren und stirbt als Baby. Sie weint in beiden. Als sie zurückfahren, geht hinter den Bergen die Sonne unter. Das Motorrad brettert mit hundert Sachen über den Asphalt und vibriert angenehm zwischen den Beinen. An sie geklammert versinkt er unter seinem Helm in Tagträumen. Er dachte, er würde sich nie wieder verlieben, und hatte sich damit arrangiert. Er glaubte, ein Mal reiche für ein ganzes Leben, aber jetzt ist es wieder da, dieses Gefühl, das einer leichten Depression nahekommt und ihm alles, was nicht mit der Frau in seinen Armen zu tun hat, bedeutungslos erscheinen lässt. Er langweilt sich, wenn sie nicht zusammen sind. Nur Jugendliche und Verliebte langweilen sich. Er will, dass sie das weiß, aber er hat versprochen, vorerst nicht über solche Dinge zu sprechen, und wird sich daran halten.
Es ist eine klare Vollmondnacht, sie gehen runter zum Strand, setzen sich auf die Treppe vor Zados Bar und bewundern den bläulichen Mondschein, der sich auf dem Meer und dem gewalzten Sand der Praia da Ferrugem spiegelt. DasLicht hat etwas Künstliches, wie in einer nächtlichen Filmszene. Er beschreibt Jasmim die seltsamen dunklen Wolken, die er hier vor Monaten am Horizont gesehen oder geträumt hat zu sehen.
Das was kein Traum. Ich hab sie auch gesehen.
Echt? Du warst auch hier?
Ja. Das war eine Fata Morgana.
Zu Hause schaltet sie das Notebook ein, schließt das 3G-Modem an und öffnet in verschiedenen Tabs einen Wikipedia-Artikel und mehrere Google-Bilder. Es handelt sich um den Austausch warmer und kalter Luftmassen über dem Meer oder in der Wüste. Fassungslos nähert er sich dem Bildschirm und starrt gebannt auf die Fotos. Genau das hat er gesehen.
Als er die Zeiten eines Schülers auf fünfundzwanzigmal 100 Meter stoppt, klingelt das Handy in seinen Bermudashorts. Auf dem Bildschirm erscheint Jasmims Nummer.
Hi, was machst du gerade? Kannst du herkommen, jetzt?
Ich bin im Schwimmbad. In einer halben Stunde bin ich fertig. Was ist los? Alles in Ordnung?
Senhor Joaquim ist mit einem Metalldetektor aufgetaucht, und ich werde ihn nicht wieder los.
Wer?
Der Alte, von dem ich dir erzählt habe. Der glaubt, dass unter meinem Haus ein Schatz vergraben ist. Sie wollen einfach nicht gehen. Allmählich hab ich Angst.
Was ist das für ein Geräusch?
Das ist das Klingeln von diesem Scheißgerät, das sie hier angeschleppt haben. Eine Art selbstgebauter Metalldetektor. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, das Ganze ist einfach unglaublich surreal. Ich habe sie gebeten, zu verschwinden, aber es hilft nichts.
Bleib ganz ruhig. Und leg dich nicht mit ihnen an. Ich bin hier um fünf raus und komm direkt zu dir.
Sie haben ein Loch gegraben und ein paar Bierdosen gefunden. Dann wollten sie die Treppe vor meiner Tür wegreißen, aber ich hab sie daran gehindert. Ich schließ mich jetzt im Haus ein, bis du da bist. Komm so schnell du kannst, ja?
Er legt genau in dem Moment auf, als Leopoldo
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