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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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Geschichte mit dem Stromausfall. Als das Licht wieder anging, sei der arme Kerl tot gewesen. Der Gaúcho, wie sie ihn nannten. Einen Verdächtigen gab es natürlich nicht. Als ich dort eintraf, waren keine Blutspuren mehr im Saal, keine Waffe, nichts. Und auch keine Leiche. Ich hab dann den ganzen Tag weitergeforscht, aber mehr war nicht herauszubekommen. Schließlich wurde es spät, und ich war schon kurz davor, nach Hause zu fahren, da kam eine Frau auf mich zu und sagte, sie hätte das Telegramm geschickt.
    Wer war das?
    Wenn ich es richtig verstanden habe, die Freundin deines Großvaters. Ein Mädchen aus dem Dorf, ganz jung, vielleicht gerade mal zwanzig. Sie war nicht zu dem Fest gegangen, weil sie Koliken hatte, aber jemand hatte ihr Bescheid gesagt, dass etwas vorgefallen sei, also lief sie hin, um zu sehen, was los war. Die Szene, die sie beschrieb, klang mysteriös. Der Saal sei leer gewesen, aber es habe eine Blutspur auf dem Boden gegeben und Spuren von einem Kampf, umgekippte Stühle und Tische, zerbrochene Gläser. Draußen seien ihr weinende Frauen begegnet. Sie verstand nur, dass man den Gaúcho getötet hatte. Und dass sie sich da raushalten sollte. Dann hat man sie nach Hause gebracht.
    Wie war ihr Name?
    Das habe ich vergessen. Soraia? Sabrina? Ich glaube, er fing mit S an. Ich kann mich auch irren. Keine Ahnung, das ist lange her. Sie muss deinen Großvater geliebt haben. Unter diesen Umständen einen Kommissar dort hinzurufen. Ichhab ihr versprochen, nach der Leiche zu suchen. In den Tagen darauf ließ ich die Gegend durchkämmen, ohne Erfolg. Also hab ich den Fall abgeschlossen.
    Mein Vater sagte, es gäbe ein Grab auf dem Friedhof.
    Stimmt. Ein paar Tage nachdem ich den Fall abgeschlossen hatte, machte ich deinen Vater ausfindig. Das Mädchen wusste, dass er in Porto Alegre wohnte und die Familie aus einer Kleinstadt in der Nähe stammte, ich glaube, aus Taquara, richtig? Er fuhr also nach Garopaba und rief mich noch am selben Tag an, um mir zu sagen, dass sein Vater auf dem Friedhof begraben sei. Das kann nicht sein, meinte ich zu ihm. Wir haben keine Leiche gefunden. Ihr nicht, sagte er, aber dafür offenbar jemand anders. Er wurde anonym beerdigt. Das wusste ich nicht. Irgendwann später fuhr ich dann nochmal hin, und da war tatsächlich ein Grab, von dem die Leute behaupteten, der Gaúcho läge darin. Das war natürlich eine Lüge. Sie mussten dem Sohn irgendetwas zeigen. In Wirklichkeit wurde die Leiche nie gefunden. Wahrscheinlich haben sie sie weit draußen ins Meer geworfen.
    Irgendetwas an dieser Geschichte passt nicht zusammen.
    Nichts passt zusammen. Es gibt da irgendein Geheimnis, das nie jemand lösen wird. Das habe ich sofort gespürt. Es herrschte eine seltsam düstere Stimmung. Die Einheimischen wirkten nervös. Das Mädchen, das mir das Telegramm geschickt hatte, erzählte mir außerdem, als sie dort eintraf, seien die Leute schon alle draußen gewesen und hätten etwa hundert Meter entfernt am Strand gestanden und aufs Meer geblickt. Dasselbe fiel mir in den Tagen danach auch auf. Es war nicht so, als würden sie auf ein Boot warten oder nach einem Fischschwarm suchen, sondern als hätte das Meer sich gegen sie gewandt. Als wollten sie plötzlich nichts mehr von ihm wissen.
    Das ergibt keinen Sinn.
    Nein.
    Und es wurde nicht weiter ermittelt?
    Nein.
    Aber …
    Er ist verwirrt und weiß nicht recht, was er noch fragen soll.
    Kann ich noch einen Wein bestellen?, fragt Andreia. Sie massiert seinen Nacken, und er spürt ihre langen Nägel.
    Ist die Flasche schon alle?
    Fast, mein Hübscher.
    Gib mir auch einen Schluck.
    Sie reicht ihm das Weinglas und schiebt ihre Hand zwischen seine Beine. Der Wein ist süß wie Sirup, und das Glas riecht nach Zigarettenrauch.
    Ich bestell noch einen, okay?, sagt sie und gibt dem Kellner ein Zeichen.
    Trink bloß dieses Gesöff nicht, Junge. Nimm dir was von meinem Whisky.
    Zenão bittet den Kellner um ein zweites Glas. Kurz darauf steht es mit drei Eiswürfeln darin vor ihm, und der Ex-Kommissar gießt es halbvoll. Sie stoßen an, und er nimmt einen Schluck. In der Zwischenzeit steigt das Albino-Mädchen über seine Beine und setzt sich neben Andreia. Die beiden fangen an zu tuscheln.
    Eins muss ich Sie noch fragen. Es soll damals das Gerücht im Umlauf gewesen sein, mein Großvater hätte ein Mädchen umgebracht.
    Der Kellner stellt eine neue Flasche Wein auf den Tisch. Zenão nickt ihm zu und lehnt sich zurück, er macht den Eindruck, als

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