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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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ein bisschen Spaß haben. Dann streckt er ihm die andere Hand hin. Er steht auf und verabschiedet sich von dem Alten. Als Branca aufsteht, fällt ein Lichtstrahl auf ihren Kopf. Ihre Wimpern sind gelb und die Haut zwischen den Haaren ist leicht rosa.
    Ich weiß nicht, ob ich dir weiterhelfen konnte.
    Oh, doch, das haben Sie. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
    Und Vorsicht mit der Polackin. Willst du ein Viagra?
    Heute nicht.
    Der Alte bricht erneut in Gelächter aus, das hier und dort von einem nasalen Grunzen unterbrochen ist und in einem beängstigenden Keuchen endet. Dann zieht er das Mädchen hinter sich her und verschwindet durch eine Tür neben der Bar, an der eine Frau steht, die etwas notiert und dem Mädchen einen Schlüssel gibt.
    Er will gehen und tastet nach seiner Brieftasche in der Hose. Die Polin schlingt kurz vorm Ausgang die Arme um ihn und zieht einen Schmollmund. Er versinkt in ihren blauen Augen. Das mag unvorsichtig sein, aber diese Hingabe erfüllt ihn mit einem Frieden, den er jetzt brauchen kann. Sie hat einen zarten Flaum an den Wangen. Die Fältchen, die wie das Delta eines Flusses von ihren Augenwinkeln ausgehen, unterstreichen nur ihr jugendliches Aussehen.
    Ich mag dich, Polin.
    Ich hab noch ein paar andere Tattoos, die ich dir zeigen könnte, aber dafür muss ich mich ausziehen.
    Ich mag dein Muttermal.
    Sie hält sich die Hand vor die Wange, als würde sie sich dafür schämen, und vielleicht tut sie es auch. Dann küsst sie ihn und umarmt ihn. Von ihrem hellen Hals geht ein säuerlicher Geruch nach Weißwein aus. Ein etwa fünfzigjähriger Landwirt mit Strohhut betritt das Etablissement. Kurz darauf kommen zwei gut gekleidete junge Männer herein und nicken den Anwesenden zu. Man kennt sich. Hier geht es erst spät los. Die Mädchen lösen sich aus dem Halbdunkel und kümmern sich jeweils zu zweit um einen der Männer. Andreia will wissen, wo er wohnt und ob sie sich wiedersehen. Er fragt sie nach ihrer Telefonnummer, aber die darf sie ihm nicht geben. Daraufhin will er ihr seine aufschreiben und sagt, wenn sie mal an den Strand wolle, solle sie ihn anrufen. Sie geht zur Bar und holt sich einen Stift. Der Türsteher mit der Lederjacke fährt sich mit der Hand durch das geschniegelte graue Haar und sagt, Das ist wahre Liebe. Sie kommtzurück, notiert sich seine Nummer und Adresse, faltet den Zettel zusammen und steckt ihn in die Potasche ihrer Hotpants. Ist das wirklich deine Nummer? Ja. Aber du rufst mich sowieso nicht an, oder, Andreia? 6 Doch, mach ich, aber schöner wäre es, wenn du bleiben würdest. Sie umarmt ihn wieder. Der Riese im Anzug hat die Tür im Auge und sagt, So hab ich sie noch nie erlebt. Findest du mich schön? Ja. Wenn ich nichts anhabe, bin ich noch schöner. Warum bleibst du nicht bei mir? Du hast doch eine Kreditkarte. Du wirst dich bestimmt nicht beklagen.
    Wie viel war das, sagtest du?
    Hundertfünfzig.
    Sicher?
    Wenn ich mit ihnen rede, vielleicht auch hundertzwanzig.
    Du hast mich falsch verstanden. Hundertfünfzig hat dieser widerliche Wein gekostet.
    Sie denkt kurz nach, ohne den Blick von ihm zu lassen.
    Krieg ich eine Gehaltserhöhung?
    Sag mir, wie viel du wert bist.
    Zweihundert. Fünfzig.
    Das ist der Preis?
    Ja.
    Gehen wir.
    Kann ich uns ein Fläschchen Champagner mitnehmen?
    Der Juni endet trocken und kalt, am Strand liegen Dutzende tote Pinguine. Es dauert Tage, bis sie die Überreste entfernt haben. Niemand rührt sie an, nicht mal die Geier. Die schwarz-weißen runden Kadaver liegen da, ohne zu verwesen, sie sehen aus wie Kuscheltiere, die am Strand vergessen wurden. Auch ein paar lebende Tiere lassen sich auf den Felsen blicken, sie sind erschöpft und verletzt und werden von Mitgliedern einer örtlichen Tierschutzorganisation aufgelesen. Sie wirken verbiestert wie Passagiere, die mitten auf der Landstraße aus einem liegengebliebenen Reisebus steigen müssen. Von seinem Fenster aus sieht er, wie die Kinder aus ihren Eimern Wasser über einen der Pinguine schütten, wohl in dem Glauben, sie würden ihm damit helfen. Um sich zu trocknen, schüttelt der Pinguin den Kopf und läuft dann resigniert ein paar Schritte zur Seite, als würde man ihn dort in Frieden lassen. Ein Jugendlicher kommt an seinem Fenster vorbei und bittet ihn um Wasserstoffperoxid, um seinen blutigen Finger zu reinigen. Er hat versucht, zusammen mit anderen Freiwilligen einer Umweltschutzorganisation einen Pinguin einzufangen, und wurde gebissen. Der Flügel

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