Flut
die eine ist blond und schmächtig und versucht zu lächeln, als sie ihn sieht, die andere ist brünett und groß, hat auffallend helle Haut, sieht ein bisschen gothicmäßig aus und unterhält sich mit einem jungen Kellner mit Ziegenbart. Ein Bein steht auf dem Boden, das andere liegt halb über dem runden Hocker, ihre Füße stecken in schwarzen, mit Schnallen besetzten Stiefeln, die ihr fast bis zu den Knien reichen. In einem abgetrennten Areal zu seiner Rechten sitzt der einzige andere Gast auf einem Sofa, ein älterer Mann, der mit einer jungen Frau redet. Das kann nur Zenão Bonato sein.
Er geht auf ihn zu und stellt sich vor. Zenão macht ihm ein Zeichen, auf dem Sofa neben ihm Platz zu nehmen. Er ist Mulatte und sieht aus wie um die sechzig, muss aber älter sein. Er hat etwas von einem ehemaligen Sportler, Boxer oder Ruderer vielleicht, der sein halbes Leben lang trainiert hat. Er trägt Jackett und Anzughose. Zwischen seinen Fingern brennt ein Zigarillo, und der Rauch der letzten Züge bildet eine Dunstglocke, die sich langsam um sie herum ausbreitet.
Das Mädchen hat die Beine über seinen Beinen übereinandergeschlagen. Unter dem schwarzen engen Minirock, der ihr kaum über die Hüften reicht, schaut ihr roter Slip hervor. Sie hat glatte lange, gebleichte Haare, die weißes Licht abzusondern scheinen. Tatsächlich strahlt ihr Kopf insgesamt etwas Gespenstisches aus. Er strengt die Augen an, um sie besser erkennen zu können. Sie ist Albino.
Weißt du, wie sie hier genannt wird?, fragt Zenão, als er sein Interesse bemerkt. Branca, die Weiße! Er stößt ein kehliges Lachen aus, das in einem rauchertypischen Keuchen endet und gleich darauf wieder losbricht. Das dauert eine Weile. Während er versucht, sich wieder zu sammeln, gießt er sich noch einen Schluck von dem Billigwhisky ein, der auf dem Tisch vor ihm steht. Branca mixt ein bisschen vom selben Whiskymit einem Energy-Drink, nippt mit ihren farblosen Lippen an ihrem Cocktail und mustert ihn dann aus den grauen, fast tarnfarbenen Augen in ihrem ungeschminkten Gesicht.
Warum wollten Sie mich hier treffen?
Weil ich hier unter Freunden bin.
Verstehe.
Weil ich dich nicht kenne und mir nicht ganz klar ist, aus welchem Grund du mich treffen wolltest. Nicht, dass du mir gefährlich erschienst, aber in meinem Alter, in meiner Branche … da ruft einer an und will etwas über einen alten Fall wissen … du weißt ja, wie das ist.
Ja, kann ich mir vorstellen. Aber keine Sorge.
Und bei der Gelegenheit amüsiere ich mich ein bisschen, was, mein Junge? Die Leute hier schulden mir so viele Gefallen, dass ich mir bis an mein Lebensende umsonst die Nudel lutschen lassen kann.
Während Zenão einen weiteren Lachanfall bekommt, sieht er eines der Mädchen von hinten auf ihren Tisch zukommen. Sie setzt sich neben ihn, ohne sich anzulehnen. Sie hat dunkle Haare und kräftige Schenkel, ihre Locken sind feucht und die Lippen rissig. Sie ist mit Parfüm zugenebelt und macht den Eindruck, als käme sie direkt aus der Dusche.
Darf ich dir Gesellschaft leisten?
Ich wollte nur kurz mit meinem Freud hier sprechen.
Aber deswegen musst du doch nicht allein bleiben. Wie heißt du?
Es dauert ein paar Minuten, bis er sie los ist.
Such dir eine aus, sagt Zenão.
Bitte?
Such dir eine aus und ruf sie her. Sonst kommen sie eine nach der anderen rüber, und wenn sie es alle versucht haben, fangen sie von vorne an. Außer uns ist sonst keiner da.
Der Kellner kommt auf seinen Wink an den Tisch.
Sag der Polin mit den Stiefeln am Tresen, sie soll herkommen. Und bring mir eine Dose Bier.
Geht klar, Chef.
Nach einem Forró erklingt aus den Lautsprechern jetzt ein Stück von Roxette, das er aus seiner frühen Jugend kennt. Er muss laut sprechen, um die Musik zu übertönen. Beide beugen sich über das Albino-Mädchen, das zwischen ihnen sitzt. Dabei beißt sie dem Alten zärtlich ins Ohrläppchen, wirft ihr weißes Haar über die Schulter, zupft an einzelnen Strähnen und untersucht die Spitzen. Zenão bestätigt, er sei 1969 Kommissar in Laguna gewesen.
Erinnern Sie sich an die Geschichte von dem Mann, der Ende des Jahres in Garopaba mit mehreren Messerstichen getötet wurde? Sie nannten ihn den Gaúcho.
Eine weibliche Stimme singt Listen to your heaaart in sein Ohr, und das Gewicht eines Körpers drückt sich in das Sofapolster. Der Geruch von Zimtkaugummi dringt ihm in die Nase.
Ich hab so gehofft, dass du mich rufst.
Deine Stiefel gefallen mir. Wie heißt
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