Flut
einem Internetcafé kurz seine Mails und spaziert im kalten Wind in der Mittagssonne, bis er keine Lust mehr hat. Er isst in einem All-you-can-eat-Restaurant zu Mittag und schlägt sich den Bauch so voll, dass er kaum noch laufen kann. Dann schleppt er sich zurück ins Hotel, legt sich ins Bett und verbringt die nächsten Stunden bei aufgedrehter Heizung und dem Fernseher auf Kanal 98 mit kurzen Schläfchen und unbefriedigender Selbstbefriedigung. Am späten Nachmittag verlässt er erneut das Hotel, läuft wieder runter zum Platz und schlendertein bisschen umher, bis er ein Café mit Fensterfront und einer großen Leinwand davor entdeckt. Neben den festen Tischen sind zusätzliche Plastikstühle aufgestellt, einige der Gäste tragen Grêmio-Trikots. Er geht rein und fragt, ob sie das Spiel übertragen. Der muskulöse Kellner in schwarzer Schürze und Mütze mit dem Logo des Cafés bejaht. Er bestellt einen Kaffee. Das Spiel beginnt. Während der nächsten zwei Stunden trinkt er ein paar Biere und isst eine Portion Pommes frites. Grêmio verliert null zu drei gegen Atlético Paranaense. Das Thermometer auf dem Platz zeigt elf Grad, sein Kinn zittert. Er läuft weiter durch die Stadt, vorbei an Bars voller Studenten, ganzen Vierteln ohne eine Menschenseele, Tankstellen, vor denen leere Taxis und feierwillige Jugendliche stehen. Es ist fast Mitternacht, als er ins Hotel zurückkommt. Ohne auf sein Zimmer zu gehen, bittet er den Mann am Empfang, ihm ein Taxi zu bestellen. Er zeigt ihm die Adresse und fragt, ob er den Laden kenne. Der hochgewachsene, großnasige Mann presst die Lippen zusammen und hebt die Augenbrauen.
Nun ja.
Was denn?
Woher haben Sie die Adresse?
Ich bin zu einem Geschäftstreffen mit jemandem verabredet, der mich dorthinbestellt hat.
Gut, wenn das so ist … aber seien Sie vorsichtig.
Warum?
Mafia. Von der übelsten Sorte. Und die Mädchen dort sind schnell. Sehr schnell. Die nehmen dir das Geld ab, ohne dass du irgendwas mitbekommst. Mein Vater hat immer gesagt, halt dich von drei Dingen fern: schnelle Frauen, langsame Pferde und Ingenieure. Denselben Rat gebe ich Ihnen auch. Vor ein paar Tagen erst kam hier mitten in der Nacht der Türsteher von dem Laden mit zwei Gästen von uns an. Die beiden hatten tausendachthundert Reais ausgegeben und nicht genug Geld in der Tasche. Die Trottel hatten keine Kreditkarte. Also mussten sie bis sechs Uhr morgens mit der Knarream Ohr von einem Automaten zum anderen fahren, bis sie das restliche Geld zusammenhatten.
Unangenehm.
Die schrecken vor nichts zurück, wenn es sein muss. Mafia eben. Sie sollten sich gut überlegen, ob Sie da hinwollen.
Ich muss nur mit jemandem reden. Ich werd nicht lange bleiben.
Der junge Mann wirft ihm einen Blick zu, der so viel besagt wie, Ich wollte Sie nur gewarnt haben, hebt die Hände und gibt ihm den Zettel mit der Adresse zurück. Das Taxi hält vor dem Hotel. Im Wagen riecht es nach Schafswolle, die Fenster sind beschlagen. Der ältere Herr mit Baskenmütze hinterm Lenkrad nickt nur, als wüsste er bereits, wohin es geht.
Das ist einer der besten Läden hier in der Gegend. Ich kann Sie gern später abholen. Hier haben Sie meine Karte. Aber passen Sie auf. Geben Sie nicht mehr Geld aus, als Sie haben.
Ein paar Kilometer außerhalb der Stadt blinken die Neonlichter des Nachtclubs Deliryu’s auf einem erhöhten Grundstück am Straßenrand. Eine Schotterauffahrt führt zu einem quadratischen, fensterlosen Bau, in einem Pinienhain. Der Türsteher, ein glatzköpfiges, gutmütig wirkendes Ungetüm von zweihundert Kilo im schwarzen Anzug, verbeugt sich feierlich und klärt ihn darüber auf, dass der Eintritt vierzig Reais koste. Er erhält eine Verzehrkarte mit seinem Namen und geht hinein. Von innen sieht das Lokal viel größer aus als von außen. Es ist so gut wie niemand da. Weiter hinten sieht er eine kleine Bühne mit einer Metallstange in der Mitte und die Türen zu den Toiletten. Ein rotierender Scheinwerfer an der Decke legt bunte Kreise auf den Boden, während ein anderer Apparat über der Bühne grüne Strahlen in den Raum wirft. Im Gegenlicht zeichnen sich die Silhouetten der Prostituierten ab, die in zwei kleinen Gruppen an der Wand lehnen oder auf Sofas sitzen und im Halbdunkel kaum zu sehen sind. Ein zweiter Türsteher begrüßt ihn. Ein Mann von mittlerer Statur in Jeans und Lederjacke. Sein graues Haar ist mit irgendeiner Creme oder einem Gel nach hinten gekämmt. Zwei Nutten lehnen gut sichtbar am Tresen,
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