Föhn mich nicht zu
durften
ja im Bett keine kompromittierenden Geräusche machen, die Burak die Möglichkeit lieferten, Mitschnitte für die anderen Schüler
anzufertigen. Ins Bad oder in die Küche auszuweichen, ging auch nicht, denn darunter wohnte die Familie von Amaru, einem anderen
Schüler von mir. Anfänglich, bevor ich meine Freundin in das Problem einweihte, hatten Melanie und ich trotzdem noch etwas
miteinander. Ich wollte mir schließlich mein Sexleben nicht von einem Schüler diktieren lassen. Aber sie empfand es als lusttötend,
dass ich ihr dauernd ins Stöhnen fiel: «Psst! Bitte, Melanie! Ist es denn zu viel verlangt, dass du lautlos stöhnst? Musst
du denn, wenn du erregt bist, permanent so durchdringend schreien? Was soll denn Burak denken?» Irgendwann |52| fassten wir uns bei mir gar nicht mehr an. Dafür stritten wir umso häufiger.
Der Wandel in unserer Beziehung entging auch Burak nicht, der mich eines Tages darauf ansprach: «Herr Serin. Warum imma streiten
mit Ihrer Frau? Machen mal lieba wieda Sex. So wie früher.» Es war für mich in jenem Moment keine leichte Aufgabe, die Sache
richtigzustellen, denn der Unterricht hatte bereits begonnen. Ich begnügte mich damit, Burak und die versammelte Klasse darüber
aufzuklären, dass es sich bei Melanie nicht um meine Frau handelte, sondern nur um meine Freundin. Dennoch zog ich wenig später
in den Friedrichshain.
Zu Hause, Sonnabend, 1.32 Uhr
Melanie: Stephan! Kannst du nicht endlich ins Bett kommen?
Ich: Bin gleich fertig.
Melanie: Das erzählst du schon seit Stunden.
Ich: Mann! Ich kann doch nichts dafür, dass sich so eine scheiß Geschichtsstunde so scheiß schwierig vorbereiten lässt. Und dass
dieses Lehrbuch so beknackt ist. Ist dit meine Schuld, dass die, die im Lehrbuch die Arbeitsaufträge formuliert haben, scheinbar
nicht mal die dazugehörigen Texte gelesen haben?
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Lehrkraft und Disziplinator = Persönlichkeit
Die Referendare aus meiner Seminargruppe wollten von unserem Hauptseminarleiter vor allem eins wissen: Was können wir gegen
die permanenten Störungen und Disziplinprobleme im Unterricht tun? Leider bot Herr Schubert dazu nur eine Veranstaltung an,
bei der vielen von uns schnell klar wurde, dass seine unterrichtspraktischen Erfahrungen einige Jahre zurücklagen. Ich gehörte
nicht zu diesen Referendaren.
Da ich nach kompetenten Autoritäten suchte, von deren Kenntnissen ich profitieren konnte, glaubte ich damals an Herrn Schubert
und war gewillt, seine Handlungsempfehlung in meinen eigenen Klassen umzusetzen. Sie lautete: «Stellen Sie sich vor, Sie halten
einen Lehrervortrag und ein Schüler provoziert Sie wiederholt durch provokante Zwischenrufe wie ‹Sie Troll! Sie Troll! Herr
Pfeiffer ist ein Troll! …›» Dieses Beleidigungsbeispiel hätte mir eigentlich augenblicklich verdeutlichen müssen, dass Herr Schubert seinen Erfahrungsschatz
aus einer Zeit bezog, als der Film
Die Feuerzangenbowle
noch ein wirklichkeitsgetreues Soziogramm des Kosmos Schule zeichnete.
Herr Schubert fuhr fort: «Wichtig ist hier die Diagnose. Durch den verbalen Einwand will der Schüler die Aufmerksamkeit der
Mitschüler und des Lehrers auf sich ziehen. Ferner versucht er, den Lehrer persönlich anzugreifen, um möglicherweise einen
Machtkampf zu provozieren. Geben Sie in solch einer Situation Acht. Wenn Sie verbal auf den Störer reagieren und ihm somit
Aufmerksamkeit schenken, erheben Sie ihn automatisch zum Anführer |54| der Klasse. Sie geben freiwillig und willenlos die Aufmerksamkeit der Klasse an einen Störer ab. Öffentliches Disziplinieren
brüskiert und diffamiert den Schüler, wirkt sich auf die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler sehr negativ aus und führt
oft zur Verstärkung des Fehlverhaltens. Es besteht die Gefahr, dass Sie die Klasse mit in den Konflikt reinziehen. Teilen
Sie darum Ihre Persönlichkeit in Lehrkraft und Disziplinator. Setzen Sie beide zur gleichen Zeit ein. Führen Sie als Lehrer
den Unterricht ungeachtet der Provokation fort, reagieren Sie weder verbal noch mit Ihren Augen auf die Störung, sondern bleiben
Sie mit Ihren Blicken und der Stimme bei der Klasse. So halten Sie die Aufmerksamkeit bei Ihnen. Als Disziplinator bewegen
Sie sich parallel dazu mit Ihrem Körper in Richtung Störung. Dort angekommen, heben Sie Ihre Hand in Richtung Plakat mit den
Verhaltensregeln für den Klassenraum, schauen dem Störer kurz, höchstens zwei Sekunden, in die
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