Föhn mich nicht zu
legen und ihnen
anschließend sanft durchs Haar zu fahren. Allerdings stellte sich dabei die Frage, vor allem bei den muslimischen Jungen,
ob sie mit so viel homokörperlicher Zuwendung umgehen könnten oder mir stattdessen reflexhaft die Hand abhacken würden.
Raum 018, Dienstag, 9.30 Uhr, 2. Stunde, Profilkurs PW
Ich: Nur falls Sie’s nicht wissen: Die Stunde endet in zehn Minuten. Aber schön, dass Sie trotzdem noch kommen!
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«Das muss ich mir nicht bieten lassen!»
Herrn Schuberts Empfehlungen bei Disziplinproblemen hatten sich also als nicht brauchbar erwiesen, und die Haarstreichelmethode
wollte ich dann doch lieber nicht ausprobieren. Aber vielleicht konnte ich mir bei meinen Kollegen abschauen, wie man angemessen
auf Schüler reagierte, die durch unentwegtes Gequatsche oder andere Störformen provozierten und einen normalen Unterricht
unmöglich machten. Gab es die optimale Zurechtweisung, einen Anpfiff, der jeden Störer zum Verstummen brachte, oder wenigstens
funktionierende Zurechtweisungsmuster? Es gab sie nicht. Auch wenn jeder Typ Lehrer anders reagierte, so einte doch alle,
dass sie kein Patentrezept besaßen. Es war egal, ob sie sympathisch oder drohend auftraten.
Drohungen waren übrigens der Klassiker. Vor meinem Referendariat hatte ich in dem Film
Knallhart
einen Neuköllner Lehrer gesehen, der zu einem Jugendlichen, welcher ihn mit Papierkügelchen beschmiss, meinte: «Noch so’n
Ding und du wirst abgeschoben!» Als Student hatte ich in einem Unterrichtspraktikum diese Warnung selbst ausprobiert, allerdings
funktionierte sie nicht, weil es sich bei dem Angesprochenen um einen deutschen Schüler handelte. Außerdem distanzierte ich
mich sogleich von meinen Worten, indem ich während meiner Maßregelung beide Hände gehoben und mit den Fingern Anführungszeichen
in die Luft gemalt hatte.
Eine deutlich geläufigere Mahnung ist:
Wenn du jetzt nicht mal die Klappe hältst, dann rufe ich deine Eltern an
. Das funktioniert |58| aber nur, wenn die Eltern zu Hause noch die Hosen anhaben. Wenn nicht, dann weichen Lehrer, wie ich beobachten konnte, gern
auch auf:
Wenn du jetzt nicht mal die Klappe hältst, dann sage ich das Herrn Stern
aus. Die Drohung mit dem Schulleiter hinterlässt jedoch bei den Schülern sofort den Eindruck, als verfüge man als Lehrkraft
nicht mehr über die nötige Autorität, um den Störungen selbst Einhalt zu gebieten, und sei darum auf Hilfe von oben angewiesen.
Pauker, die sich noch als Respektperson sehen, versuchen es darum lieber mit einem crescendierenden
Hey Hey Hey Hey Hey !
Man darf aber nicht den Fehler begehen, bereits mit einem zu lauten
Hey
einzusteigen. Denn wenn man an seinem oberen Dezibellimit angelangt ist und die Schüler einen noch immer überhören, hat man
ein Problem. Eine Geschichtskollegin musste in meinem Beisein diese bittere Erfahrung machen. Ihr Ruf verlief wie eine Sinuskurve,
die nach hinten buchstäblich absoff:
Hey Hey Hey Hey Hey Hey Hey
. Für den Rest der Stunde hat sie die Störer dann in Ruhe gelassen.
Ebenfalls respekteinfordernd ist eine Entrüstung wie:
Das muss ich mir nicht bieten lassen!
Hierbei zielt die Aussage darauf, dass der Schüler noch nicht studiert hat, dem Lehrer vom Bildungsgrad folglich unterlegen
ist und ihm darum Achtung schuldet. Nicht allen Schülern ist es zuzutrauen, den komplizierten Gedankengang hinter dieser Zurechtweisung
zu verstehen. Darum kann sie auch ergänzt werden:
Das muss ich mir nicht bieten lassen! Ich hab schließlich studiert.
So sagte es einmal die immer leidende und ständig kranke Frau Flach, eine Französischkollegin, zu einem Mädchen der zwölften
Klasse, das zum Unterricht permanent zu spät erschien. Um eine schlagfertige Antwort war sie nichtsdestotrotz nicht verlegen:
Und was ham Sie davon, dass Sie studiert haben? Sie sind Lehrerin und stehen kurz vor der Klapse
. Nein, diese Äußerung würde mir nicht unterlaufen.
|59| Nicht weit davon entfernt ist:
Ich glaube, einige von euch haben immer noch nicht begriffen, dass sie sich auf einem
Gymnasium
befinden
. Natürlich ist diese Feststellung sehr beliebt bei Gymnasiallehrern. Funktioniert aber nur selten. Und auch nur noch so lange,
wie es Gymnasien gibt. Darum sind viele Gymnasiallehrer dagegen, dass die Partei Die Linke an die Macht kommt, weil sie sonst
zu den Störern sagen müssten:
Ich glaube, einige von euch haben immer noch nicht begriffen, dass sie sich auf einer
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