Föhn mich nicht zu
Gemeinschaftsschule befinden
.
Den Aufmerksamkeitsfokus extra auf die Störer zu lenken, hat sich meiner Beobachtung nach auch nicht als probat erwiesen.
Herr Unger ist damit auf die Nase gefallen, als er zwei quatschende Mädchen aus seiner achten Klasse aufforderte, doch bitte
laut zu reden, mit der Begründung, es interessiere die anderen auch, worüber sie sprächen. Er hat diese Aufforderung sehr
bereut, da es um seinen Achselschweiß ging. Und Herr Klaus fuhr zwei Störer aus der Neunten zwar einmal sehr überzeugend mit
Ich mach gleich mit
an. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass die Schüler nichts dagegen hatten, dass er sich mit ihnen prügelte. Und weil
die beiden größer waren als er, hat er dann doch lieber den Schwanz eingezogen.
Auf das Gemeinschaftsgefühl setzt die Wir-sind-doch-alle-in-einem-Boot-Attitüde:
Ach , Mensch! Seid doch mal ruhig! Denkt ihr etwa, mir macht das Spaß?
Oder in ähnlichem Tenor:
Mensch , Leute! Für mich ist das doch auch die siebente Stunde.
Zwar signalisiert der Lehrer den Schülern auf diese Weise, dass er ebenso leidet wie sie. Aber gleichzeitig wäre aus der Perspektive
der Schüler die einzig logische Konsequenz, den Unterricht umgehend abzubrechen und alle nach Hause zu entlassen. Eine bis
zum Ende der Stunde währende Diskussion über diese Option lässt sich nach solchen Aussagen nicht vermeiden.
Verwandt mit der schüleraffinen Komponente dieses Auftretens |60| ist der Versuch, den Jugendlichen einen Deal anzubieten:
Wenn ihr jetzt ruhig seid, dann machen wir früher Schluss.
Der Haken dabei: Wer sich einmal aufs Handeln mit der Klasse einlässt, der hat als Lehrer bereits verloren und kämpft irgendwann nur noch um die letzten Fetzen seiner vormaligen Autorität:
Wenn ihr jetzt ruhig seid, dann mache ich euch vor, wie Herr Rauter Ski fährt.
Oder:
Wenn ihr jetzt ruhig seid, dann kriegt ihr nächste Stunde alle Schokolade.
Oder:
Wenn ihr jetzt ruhig seid, dann kriegt ihr am Ende des Schuljahres alle eine Zwei auf dem Zeugnis.
Die larmoyante Seite der Mir-macht-das-doch-auch-keinen-Spaß-Haltung kann auch schnell in eine Mitleidstour kippen:
Ach, Mensch! Nun passt doch mal auf! Also , wenn ihr euch weiter so verhaltet, dann habe ich echt keine Lust mehr.
In der dramatischen Fassung:
Also , so wie ihr euch heute aufführt, macht mich das echt traurig. Ich dachte, wir wären Freunde. Wenn ihr so weitermacht, dann
bringt ihr mich noch ins Grab.
Kein Schüler möchte vom Verfasser eines solchen Lamentos unterrichtet werden. Kein Schüler nimmt eine solche Mimose noch ernst.
Eigentlich habe ich nur eine Lehrerin erlebt, die einen Spruch brachte, der die Störer beeindruckte. Und das war Frau Seifert.
Frau Seifert war noch eine recht junge, sympathische Kollegin, die wegen ihrer frischen Art, ihrer gesunden Gesichtsfarbe,
ihrer blauen Augen mit den langen Wimpern, ihrer blonden schulterlangen Haare und ihrer dezidiert weiblichen Proportionen
in figurbetonter Kleidung eine Ausnahme unter den weiblichen Kollegen darstellte und sich vor allem bei den männlichen Schülern
großer Beliebtheit erfreute. Für mich hatte sie immer ein offenes Ohr und sprach mir Mut zu, wenn ich ihn brauchte. Während
eines meiner Besuche in ihrem Unterricht meinte Frau Seifert also zu zwei Typen aus ihrer Achten, die auch zwei Minuten nach
Stundenklingeln nicht das geringste Interesse zeigten, auf ihre Plätze zu gehen, sondern sich weiter auf der Heizung lümmelten: |61|
Setzt ihr euch jetzt bitte auf euren Stuhl! Oder sind eure Ärsche immer noch nicht getrocknet?
Aber dieser Spruch funktioniert natürlich nicht in jeder Situation, da die Störer meistens nicht so freundlich sind, sich
zum Stören extra auf einen Heizkörper zu setzen. Und selbst wenn doch, steht man in der Regel als Lehrer trotzdem doof da.
Denn egal, wie eloquent man ist, eines kann auch der beste Spruch nicht kaschieren: dass man gern mit seinem Unterricht fortfahren
möchte. Und das ist schon mal per se uncool. Selbst Frau Seifert hat ihre Schlagfertigkeit nichts genützt. Kurz danach ließ
sie sich berufsunfähig schreiben. Bei ihr hätte ich es am wenigsten erwartet.
Lehrerzimmer, Dienstag, Freistunde
Frau Baum: Herr Serin. Sie sind doch immer vor mir im Raum 103?
Ich: Ja. Wieso?
Frau Baum: Also, er sah heute wieder unmöglich aus. Wie ein Saustall. Meine Schüler mussten den Müll Ihrer Schüler wegräumen. Sie müssen dafür sorgen, dass Sie den Raum sauber
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