Fool: Roman (German Edition)
wie eine Feder.«
»Dann bin ich tot …«, sagte Gloucester. Er sank auf die Knie. Ihm schien die Luft auszugehen. »Ich bin tot, und doch leide ich noch immer, meine Trauer ist ungebrochen, meine Augen schmerzen, obwohl ich keine mehr habe.«
»Weil er Euch verarscht«, sagte ich.
»Was?«, sagte Gloucester.
»Schschscht«, machte Edgar. »Nur ein irrer Bettler. Achtet nicht auf ihn, Sir!«
»Okay. Ihr seid tot. Viel Spaß dabei«, sagte ich. Ich legte mich wieder hin, im Windschutz, und zog mir meine Narrenkappe über die Augen.
»Kommt, kommt, gesellt Euch zu mir!«, hörte ich Lear sagen. Ich setzte mich auf und sah, wie Lear den Blinden zu seinem Platz bei den großen Steinen führte. »Lasst die Grausamkeit der Welt von Eurem krummen Rücken gleiten, mein Freund!« Lear legte einen Arm um Gloucester und hielt ihn fest, während er zum Himmel sprach.
»Mein König«, sagte Gloucester, »in Eurer Gnade bin ich sicher. Mein König.«
»Aye. König. Doch ich habe keine Soldaten und kein Land. Kein Untertan erzittert vor mir, kein Diener, und selbst Euer Bastard von einem Sohn hat Euch besser behandelt als meine Töchter mich.«
»Das darf ja wohl nicht wahr sein«, sagte ich. Dann sah ich Gloucester lächeln, und bei allem Leid fand er doch Trost bei seinem Freund, dem König. Offensichtlich war er bereits blind für dessen Grausamkeit gewesen, bevor Cornwall und Regan ihm das Augenlicht genommen hatten. Blind vor Loyalität. Geblendet vom Titel. Blind vor unausgegorener Vaterlandsliebe und falsch verstandener Rechtschaffenheit. Er liebte seinen grausamen, geisteskranken König. Ich lehnte mich zurück und lauschte.
»Lasst mich Eure Hand küssen!«, sagte Gloucester.
»Lasst sie mich erst abwischen«, sagte Lear. »Sie riecht nach Tod.«
»Ich rieche nichts und werde nie mehr etwas sehen. Ich bin unwürdig.«
»Habt Ihr den Verstand verloren? Schaut mit Euren Ohren, Gloucester! Habt Ihr je gesehen, wie ein Wachhund einen Bettler anbellt und vertreibt? Ist dieser Hund die Stimme der Autorität? Ist er besser als die vielen, die des Mannes Hunger leugnen? Ist ein Sheriff rechtschaffen, der eine Hure peitscht, wenn er sie um seiner eigenen Lust willen schlägt? Seht genau hin, Gloucester! Erkennt Ihr, wer würdig ist? Seht uns an, da wir unserer Pracht und Herrlichkeit beraubt sind! Kleine Makel schimmern durch zerlumpte Kleider, wenn sich alles unter Pelz und feinen Roben versteckt. Vergoldet die Sünde, und die Lanze der Gerechtigkeit zerbricht an der Verzierung. Gesegnet seid Ihr, dass Ihr nicht sehen könnt … denn Ihr könnt nicht sehen, was ich in Wahrheit bin: erbärmlich.«
»Nein«, sagte Edgar, »Eure Kaltschnäuzigkeit rührt von Eurem Wahnsinn her. Weint nicht, guter König!«
»Weint nicht? Wir weinen, wenn wir zum ersten Mal Luft wittern. Wenn wir geboren werden, weinen wir, weil wir auf die große Narrenbühne treten.«
»Nein, alles wird wieder gut, und …«
Wir hörten einen dumpfen Schlag, dann noch einen, dann ein Heulen.
»Stirb, blinder Maulwurf!«, rief eine vertraute Stimme.
Ich setzte mich auf und sah Oswald über Gloucester gebeugt, einen blutigen Stein in der Hand. Sein Schwert hatte er dem alten Grafen in die Brust gerammt. »Du wirst die Sache meiner Herrin nicht länger hintertreiben!« Er drehte die Klinge, und Blut blubberte aus dem alten Mann hervor, doch er gab keinen Laut von sich. Er war schon tot. Oswald riss sein Schwert heraus und ließ Gloucesters Leichnam auf Lears Schoß fallen, der dort am Felsen kauerte. Edgar lag ohnmächtig direkt vor Oswalds Füßen. Der Wurm holte aus, als wollte er Edgar die Klinge ins Rückgrat stoßen.
»Oswald!«, rief ich. Ich stand hinter meinem Felsen auf und zog ein Messer aus dem Futteral an meinem Rücken. Der Wurm wandte sich zu mir um und hob seine Klinge an. Er ließ den blutigen Stein fallen, den er Edgar über den Schädel gezogen hatte. »Wir haben eine Vereinbarung«, sagte ich. »Weiteres Meucheln meiner Kohorte würde ernste Zweifel an Eurer Ehrlichkeit aufkommen lassen.«
»Verpiss dich, Narr! Wir haben keine Vereinbarung. Du bist ein verlogener Hundsfott.«
» Moi ?«, sagte ich in perfektem Froschländisch. »Ich kann dir immer noch das Herz deiner Herrin schenken, und zwar nicht auf diese eklige, entleibte Art und Weise, die unweigerlich mit einer Leichenschändung endet.«
»Eine solche Macht besitzt du nicht. Du hast auch Regans Herz nicht verzaubert. Sie hat mich geschickt, um diesen blinden Verräter
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