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For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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wiedersehen, sich nie mehr mit ihm versöhnen würde, traf ihn wie ein Schlag, als hätte er mit einem Hammer die eigene Hand statt den Nagel getroffen.
    »Mom … « Seine Stimme versagte. Er räusperte sich. »Mom, ich komme morgen früh und besuche euch beide. Ich nehme mir ein Taxi.«
    »Okay, Leonard. Ich glaube, dein Vater würde sich freuen, dich zu sehen.«
    Fastwünschteersich,Vorwürfevonihrzuhören,zumBeispiel,esseiselbstsüchtigvonihmgewesen,dieElternalleinzurückzulassen,erseieinschlechterSohn.Erwollte,dasssieirgendwas Unfaires sagte,damiterwütendseinkonnte,anstatt diese schreckliche, unerträgliche Schuld zu spüren.
    Stattdessen sagte sie nur: »Ich hab dich lieb, Leonard. Ich kann’s kaum erwarten, dich zu sehen. Ich hab dich so vermisst.«
    Und so ging er voller Selbsthass in seinem schäbigen Hotel zu Bett und lauschte auf die eigenen spöttischen Gedanken, die Penner und die Nachtschwärmer, die Leute, die nebenan Sex hatten, die Musik aus den Autofenstern. Stunde um Stunde verging, und er hatte kaum ein Auge zugetan, als sein Wecker schließlich klingelte. Er duschte und rasierte sich den Bartflaum mit einem Einweg-Rasierer ab. Sein Frühstück bestand aus einem Erdnussbuttersandwich und einem vierfachen Espresso aus der kleinen, mobilen Espressomaschine, die er sich von seinem ersten Geld gekauft hatte. Danach rief er sich ein Taxi und putzte sich noch rasch die Zähne, bis es kam.
    Der Taxifahrer war ein Chinese, und Wei-Dong bat ihn in seinem besten Mandarin, ihn zu seinen Eltern nach Orange County zu fahren. Der Fahrer amüsierte sich sichtlich über den jungen Amerikaner, der hier Chinesisch mit ihm sprach, und sie plauderten ein wenig über das Wetter und den dichten Berufsverkehr, während sie langsam die I-5 entlangkrochen. Dann rollte Wei-Dong seine Jacke zu einem Kissen zusammen und schlief ein, trotz des Nervenflatterns und des Koffeins.
    Am Ziel zahlte er dem Fahrer fast einen Tageslohn, nahm seine Schlüssel aus der Tasche, ging die Einfahrt zu seinem Elternhaus hoch und schloss die Tür auf. Drinnen saß seine Mutter im Morgenmantel am Küchentisch, die Augen rot und verquollen, und starrte ins Leere.
    Eine Weile blieb er im Eingang stehen und sie schauten einander nur an. Dann erhob sie sich unsicher, ging zu ihm hinüber und schloss ihn fest in die zitternden Arme. Ihre Tränen benetzten seinen Hals.
    »Er ist von uns gegangen«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Heute früh, gegen drei. Ein zweiter Herzinfarkt. Es ging alles ganz schnell. Sie sagen, er sei praktisch sofort tot gewesen.« Sie weinte.
    Da wusste Wei-Dong, dass er wieder nach Hause ziehen würde.
    Das Krankenhaus entließ Schwester Nor, den Mächtigen Krang und Justbob zwei Tage früher als ursprünglichvorgesehen, einfach nur, um sie loszuwerden. Zum einen blieben sie nicht auf ihren Zimmern. Stattdessen schlichen sie sich immer wieder in die Cafeteria, wo sie sich, ob im Rollstuhl oder auf Krücken, drei oder vier Tische zusammenschoben, auf denen sie dann Computer, Handys und Notizen ausbreiteten, außerdem Makramee-Arbeiten und kleine Bleifiguren, die der Mächtige Krang mit feinen Kamelhaarpinseln bemalte, sowie Karten, Blumen, Schokolade und Butterkekse von ihren Unterstützern.
    Zu allem Überfluss hatte Schwester Nor auch noch entdeckt, dass drei der philippinischen Putzfrauen auf ihrer Station von ihren Arbeitgebern geschlagen wurden. Also hielt sie Treffen zur Stärkung ihres Selbstvertrauens ab, bei denen sie ihnen beibrachte, wie man offizielle Beschwerdebriefe ans Arbeitsministerium verfasste. Die Krankenschwestern liebten sie – sie waren schon vergangenes Jahr einer Gewerkschaft beigetreten – , die Krankenhausleitung aber hasste sie mit der heißen Glut von tausend Sonnen.
    So kam es, dass Schwester Nor, der Mächtige Krang und Justbob keine zwei Wochen, nachdem sie fast zu Tode geprügelt worden waren, blinzelnd in die schwüle Mittagshitze Singapurs hinaustraten, in Bandagen, Schienen und Gipse gepackt. Ihre Körper hatte man gebrochen, doch sie waren guter Dinge. Die Prügel waren fast … befreiend gewesen. Nach Jahren der Angst, von den Schlägern der Bosse erwischt und halb tot getreten zu werden, hatten sie es nun hinter sich und überstanden. Sie wuchsen daran. Ihre Angst hatten sie abgelegt.
    Als sie einander ansahen, die Haare schweißverklebt, die Gesichter gerötet, mussten sie erst grinsen, dann kichern. Dann lachten sie – so laut und herzlich, wie ihre Verletzungen es

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