Forever in Berlin
kommst du denn darauf?«, fragte Lilly verwundert. Sie und Emily kannten sich schon seit Schulzeiten. Gemeinsam hatten sie ein Internat am Starnberger See besucht. Emily war nach dem Abitur allerdings sofort zum Studieren (Theaterwissenschaften!) nach Berlin gegangen, während Lilly erst ein paar Jahre später nachkam.
»Na, weil er Deinem Ex nicht gerade unähnlich ist. Du stehst doch auf so Machertypen, nicht wahr?«
»Genau das ist ja das Problem. Der Typ erinnert mich so sehr an Johannes, dass man glauben könnte, die beiden seien Zwillinge, die bei der Geburt aus Versehen getrennt wurden.«
Johannes Landwehr. Vor ziemlich genau zwei Jahren von Lilly dorthin geschickt worden, wo die Hölle brodelt, war Lillys Ex. Die beiden lernten sich als Teenager auf eben diesem Internat kennen, das auch Lilly und Emily besuchten. Erste Liebe. Jugendliebe. Verlobung. Die jeweiligen Eltern waren ganz angetan von Schwiegersohn und –tochter in spe. Während Lilly in Passau Kulturmanagement studierte, belegte Johannes in München Jura. Die Wochenenden verbrachten sie entweder auf dem penibel restaurierten Schlösschen von Lillys Eltern in der Nähe von Erlangen oder bei Johannes’ Vater und Mutter. Johannes wurde schließlich Wirtschaftsanwalt. Sein berufliches Spezialgebiet waren Vergleiche. So weit, so romantisch.
Leider verglich der liebe Johannes aber auch im Privatleben seine Verlobte Lilly immer wieder einmal mit anderen Frauen. Bis Lilly es irgendwann herausbekam und ihm das Eheversprechen einseitig form- und fristlos kündigte. Eigentlich hatte Lilly damals mit der vollsten Unterstützung durch ihre Eltern gerechnet, doch diese waren eher enttäuscht von ihr gewesen. In ihren Kreisen war Lilly mit 27 so etwas wie überreif für die Hochzeit. Fast schon Fallobst sozusagen.
Nachdem Lilly also mit dem adretten aber untreuen Johannes Schluss gemacht hatte, war sie Hals über Kopf zu Emily nach Berlin gezogen, um dort ihren Abschluss zu machen. Und in Berlin hatte Liliane Maria Victoria von Marloffstein entdeckt, dass viel mehr in ihr steckte, als eine brave mittelfränkische Adelstochter, die ihre Kindheit zwischen Pferdestall und Benimmkursen verbracht hatte.
Seit Lilly zum Studieren in die Hauptstadt gekommen war, hatte sie nämlich ihre wahre Liebe für waschechte Berliner und deren kruden Humor entdeckt. Hier in der Hauptstadt kam eines von Lillys bisher verborgenen Talenten zum Vorschein: Sie konnte echt mithalten mit der Berliner Schnodderschnauze und ließ sich so schnell nichts gefallen. In Berlin war aus der Provinzprinzessin Lillyfee das Großstadtgirlie Lil geworden. So frei hatte sie sich nie zuvor gefühlt.
Lil gehörten 50% einer Mietwohnung, 33% einer Katze und 25% einer erfolgreichen Coffee Bar – aber nach mehr als zwei Jahren leider immer noch 0% eines Mannes. Ihr Hauptstadtleben war bunt, witzig und spannend, ihr Liebesleben aber so aufregend wie fettfreier Joghurt ohne Geschmack.
3
Die Tür zum Café Solo ging auf und das kleine, altmodische Glöckchen, das noch vom Vorgänger-Oma-Café übrig war, bimmelte hell.
»Wisst Ihr schon, dass der Waschsalon nebenan dicht macht?«, rief Nick Lilly und Emily hinter dem Tresen zu, als er sich mit dem Rücken die Tür aufhielt. Gleichzeitig balancierte er drei übereinander gestapelte Gemüsekisten vom Markt auf seinen Armen. Im Café roch es an diesem frühen Morgen vorzüglich nach soeben gemahlenem Kaffeepulver und frisch gebackenen Croissants.
»Brauchst Du Hilfe?«, eilte die stets höfliche Emily schnell an Nicks Seite, um ihm die Tür aufzuhalten.
»Geht schon. Aber danke.«
Doch Lilly war in Gedanken noch beim Waschsalon. »Wie? Der Weiße Riese macht zu? Das kann doch nicht sein! Der ist doch eine Institution hier!«
Wenn es nach Lilly ging, existierte der Waschsalon nebenan schon seit gefühlten 100 Jahren. Oder zumindest seit es eben elektrische, kommerzielle Waschmaschinen gab. Die Geräte sahen zugegebenermaßen antik aus. Sie waren altmodische, cremefarbene Toplader, wo man die Wäsche von oben und nicht von vorne einfüllte. Aber der Weiße Riese war genauso ein Original wie der Friseursalon aus den 50er-Jahren in der Seitenstraße. Oder eines dieser Tanzlokale aus der DDR-Zeit, wo man noch immer nachmittags zu rauschenden Vinyl-Platten schwofen konnte.
»Weißt Du noch, als wir dort unsere Silvesterparty gefeiert haben?«, fiel Emily ein.
»Das war eine der besten Partys ever. Du hast auf einem der Trockner Luftgitarre
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