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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
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wolltest gerade etwas tun?«
    »Nicht wichtig. Wirklich kein Problem.«
    »Okay.« Er klingt etwas irritiert. Bei meinen rhetorischen Meisterleistungen ist das allerdings kein Wunder. Da ich nicht in der Lage bin, etwas Sinnvolles zu antworten, stellt Jan die nächste Frage: »Und, was gibt es Neues in der Schule?«
    Dankbar nehme ich den Faden auf. »Nichts Besonderes. Die übliche Aufregung wegen der Party bei Laro nächste Woche, ansonsten eine Englischarbeit und viele Hausaufgaben.«
    »Wie lief's?«
    Soll ich? Nach einem kurzen Moment der Stille entscheide ich mich, ihm die Wahrheit zu sagen. Er weiß schließlich über mich Bescheid, und ich bin nicht bereit, unser hart erarbeitetes Vertrauen direkt wieder auf die Probe zu stellen.
    »Ehrlich gesagt hatte ich vergessen, dass wir diese Arbeit schreiben.«
    »Oh«, sagt er mitfühlend, »das kann ja mal passieren. Dann musst du dich eben für den Rest des Schuljahres besonders anstrengen, um diese Note wieder auszugleichen.«
    »Äh... ich denke, die Arbeit ist dennoch recht gut gelaufen.«
    »Wie das? Ich dachte, du wärst komplett unvorbereitet gewesen – oder...« Er zieht scharf die Luft ein. »Ich verstehe. Du hast deine Gabe genutzt.«
    Ich gebe ein zustimmendes Murmeln von mir.
    »Wie hast du das bewerkstelligt?«
    Beklommen liefere ich ihm einen detaillierten Bericht meiner Betrugsaktion.
    »Nicht schlecht.«
    Täusche ich mich, oder höre ich Bewunderung in seiner Stimme? Ich hätte mit einer anderen Reaktion gerechnet. Moralische Bedenken, Ablehnung oder Unglaube. Aber Anerkennung?
    »Du findest das nicht moralisch verwerflich? Ich fühle mich schon den ganzen Tag nicht wohl deswegen.«
    »Aber aus welchem Grund?«
    »Naja, es gibt mehrere Aspekte. Ich habe die Gabe genutzt, um meine Note zu retten, obwohl ich im Gegensatz zu meinen Mitschülern über das Wochenende kein Stück gelernt hatte. Dann habe ich Denise' Leistung kopiert und ihre eigene Zensur in Gefahr gebracht, indem ich sie das Blatt hochhalten ließ, um die Kopie anzufertigen. Und ich habe nicht nur in ihrem, sondern auch noch im Kopf des Lehrers herumgepfuscht. Verantwortungsbewusst war diese Aktion wirklich nicht.«
    Jans Stimme klingt ruhig. »Einerseits verstehe ich deine Bedenken sehr gut. Aber auf der anderen Seite: Hast du vorher noch nie einen Spickzettel benutzt?«
    »Doch schon. Aber das war etwas anderes.«
    »Inwiefern?«
    »Ich habe mich immerhin auf die Arbeit vorbereitet, auch wenn es nur durch das Erstellen des Zettels war.«
    »Aber im Endeffekt hast du trotzdem Wissen für deine Antworten verwendet, welches nicht in deinem Kopf war. Oder?«
    »Ja, das stimmt schon...«
    »Hast du noch nie von deinem Banknachbarn abgeschrieben?«
    »Ach komm schon! Kennst du irgendjemanden, der nicht auf das Nachbarblatt schauen würde, wenn er selbst keine Antwort wüsste?«
    »Eben. Ich will auf Folgendes hinaus: So ziemlich jeder hat schon einmal in irgendeiner Form gelogen oder betrogen, und nicht nur im schulischen Bereich. Dir fällt es durch die Gabe leichter, aber ist es deshalb moralisch verwerflicher? Welche Nachteile sollen daraus für deine Mitschüler resultieren? Du hast dafür gesorgt, dass der Lehrer nichts merkt. Stattdessen hättest du auch in Kauf nehmen können, Denise' Note zu ruinieren.«
    Im Prinzip hat er recht. Es ist kein Schaden entstanden, und niemand stört sich an der Rettung meiner Englischnote. Direkt fühle ich mich besser.
    »Du kannst etwas, das normale Menschen nicht beherrschen. Du musst ständig und zu jeder Zeit absolute Selbstbeherrschung wahren, denn sobald deine Aufmerksamkeit für einen Moment nachlässt, kann es gefährlich werden. Das ist eine große Last, die du mit dir trägst. Eine Bürde, die du dir nicht ausgesucht hast. Wieso solltest du nur die Schattenseite erleben? Glaubst du nicht auch, dass jeder eine solche Gabe nutzen würde, statt krampfhaft zu versuchen, normal zu sein? Das bist du nicht, Hannah. Ganz und gar nicht. Du bist außergewöhnlich.«
    Schweigend schaue ich auf meine Hände und denke über die eben gehörten Worte nach. Außergewöhnlich. Beim besten Willen weiß ich nicht, was ich darauf antworten könnte. Das Schweigen zwischen uns dauert so lange, dass es geradezu peinlich wird. Dann durchbricht Jan die Stille. »Darf ich dich morgen wieder anrufen?«
    »Gerne. Nur nicht zwischen 15 und 17 Uhr.« Ich verziehe kurz das Gesicht. »Da habe ich Klavierstunde.«
    »Du spielst Klavier?«, fragt Jan interessiert.
    »Ja.

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