Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
Vom Netzwerk:
was ich sagen könnte.«
    »Du bist nervös?«, frage ich ungläubig.
    Jan nickt. »Heute ist es irgendwie anders als bei unseren Treffen vor meinem Krankenhausaufenthalt. Damals hatte ich das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Jetzt habe ich eine Höllenangst davor, das Falsche zu sagen und damit wieder alles zu zerstören, was wir aufgebaut haben.«
    »Mir geht’s genauso«, gestehe ich. »Mindestens zwanzig Mal habe ich mir ausgemalt, wie es sein wird, wenn wir uns wiedersehen. Telefonieren ist ganz anders, als sich gegenüberzustehen.«
    Jan rückt ein wenig näher zu mir. Sogar ohne Berührungen schafft er es, mein Herz in doppelter Geschwindigkeit schlagen zu lassen. »Ich bin gerne in deiner Nähe. Unsere Gespräche waren schön. Sehr schön. Aber die Telefonleitung reicht nicht aus, um auch nur im Entferntesten deine Ausstrahlung zu vermitteln.« Er vergräbt das Gesicht in den Händen und stöhnt. »Mein Gott, das war hoffungslos kitschig. Tut mir leid.«
    Ich kann ein amüsiertes Lachen nicht unterdrücken, in das Jan nach kurzer Zeit einstimmt.
    Im Verlauf der nächsten Stunde vertiefen wir uns in eine angeregte Unterhaltung und werden nur einmal von meiner Mutter unterbrochen, die Kaffee und Kuchen vorbeibringt. Jan scheint wirklich ihr Herz erobert zu haben. Und nicht nur ihres.
    Wir sitzen zwanglos auf meinem Bett, allerdings ohne uns dabei zu berühren. Trotzdem bin ich mir seiner unmittelbaren Nähe mehr als bewusst. Ich müsste lediglich die Hand ausstrecken. Schon beim bloßen Gedanken daran beginnt mein Puls zu rasen. Jan macht keine Anstalten, den Raum zwischen uns zu überbrücken. Er lässt mir meinen Freiraum.
    Blöder Freiraum! Darauf lege ich nicht den geringsten Wert. Warum kann er nicht einfach den Arm um mich legen?
    Kann man mir überhaupt etwas recht machen? Vor zwei Wochen fühlte ich mich bedrängt, und Jans Annäherung war mir viel zu aggressiv und aufdringlich. Und jetzt agiert er zu behutsam für meinen Geschmack? Ich wäre an seiner Stelle auch vorsichtig, speziell nach der Wandgeschichte. Aber die heutige Sitation ist eine völlig andere. Wir sind keine Fremden mehr, die sich zum ersten Date treffen. Zwischen uns herrscht eine gewisse Vetrautheit. Erkennt er diesen Unterschied nicht? Merkt er nicht, dass ich ihm mittlerweile zu Füßen liege?
    Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass die Initiative diesmal von mir ausgehen muss. Jan wird sie sicher nicht ergreifen. Auch wenn es mich meine komplette Überwindung kosten wird, ich muss etwas tun.
    Während ich vorgebe, Jans Erzählungen über dessen Lieblingsbuch aufmerksam zu lauschen, rutsche ich unauffällig ein kleines Stück in seine Richtung, sodass sich unsere Beine fast berühren. Jan stockt in seiner Rede und schaut mich aufmerksam an. Nun gut. Ich rette mich in ein ertapptes Lächeln und deute ein Schulterzucken an.
    Okay. Ich wollte mich verstohlen nähern, und er hat mich erwischt. Tolle Leistung. Das ist gründlich schiefgegangen. Würde mir recht geschehen, wenn er auf diese plumpe Annäherung hin wegrücken würde. Doch Jan wendet sich nicht ab. Stattdessen intensiviert er unseren Bickkontakt. Er ergreift meine Hände. Obwohl seine Finger kühl sind, fließt die Berührung glühend heiß meine Arme empor. Dann nimmt er seinen Bericht wieder auf. Leider habe ich Probleme, den dargelegten Ausführungen zu folgen. Stattdessen bin ich mit den Stromstößen beschäftigt, die ausgehend von unseren Händen durch meinen ganzen Körper jagen. Das kann doch nicht normal sein. Der Kontakt mit Jan fühlt sich an, als würde ein verfluchtes Elektrizitätswerk verrückt spielen.
    Glücklicherweise klopft kurze Zeit später meine Mutter an die Tür und bewahrt mich so vor weiteren Peinlichkeiten. Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Jan bemerkt hätte, dass ich ihn anhimmle, statt ihm zuzuhören. Schnell ziehen wir die Hände zurück. In Jans Miene kann ich dasselbe Bedauern über die Trennung der Verbindung sehen, das auch ich empfinde.
    Meine Mutter schaut forschend zwischen uns hin und her. »Es gibt Abendessen. Jan, wenn Sie möchten... wir würden uns freuen.«
    Als Jan mit einer fließenden Bewegung aufsteht und die Einladung mit einem charmanten Lächeln annimmt, kann ich meine offensichtliche Begeisterung kaum verbergen.
    Kurze Zeit später sitzen wir gemeinsam mit meiner Familie am Tisch. Bei dieser Gelegenheit nutzt Jan die Chance, auch noch meinen Bruder einzuwickeln, der ihn mit

Weitere Kostenlose Bücher