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Forstchen, William

Forstchen, William

Titel: Forstchen, William Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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krümmte sich unter dem Einschlag einer Kugel. Er warf sich herum und sah Ha’ark vom Pulverdampf umwabert. Kasar bemühte sich, das eigene Gewehr auf den Rekruten zu richten. Lächelnd führte dieser eine weitere Kugel in die Kammer ein und drückte ab. Diesmal wurde Kasar zu Boden geschleudert.
    »Ihr anderen! Rührt euch nicht!«
    »Ha’ark?« Das war Jamul. »Wieso?«
    »Er stand kurz davor, uns um Kopf und Kragen zu bringen! Überlasst mir die Verhandlungen, falls ihr am Leben bleiben möchtet … Umaga vikaria, Bantagvu!«
    Kasar blickte zu den Sternen hinauf. Es waren nicht die seiner Heimat. Ein mächtiges Rad aus Sternen verblasste in der Dämmerung … oder war es sein Sehvermögen, das schwächer wurde?
    »Wo bin ich?«
    »Auf der Heimat der Ahnen sind wir hier.«
    Ha’ark stand vor ihm und blickte ohne Erbarmen auf ihn herab.
    »Nur Legenden!«, seufzte Kasar.
    Ha’ark schüttelte den Kopf.
    »Du hast mich für einen Idioten gehalten, einen Toren!«, zischte er, und die so lange unterdrückte Wut kochte hoch. »Ich wollte bei meinen Lehrern bleiben, wurde aber unter deinen Befehl gezwungen. Du hast mich allerdings gut ausgebildet, Kasar.« Und noch während er redete, pumpte Ha’ark eine neue Kugel in die Kammer.
    Die Welt, welche auch immer es war, entwich in die Ferne. Kasar legte den Kopf zurück und betrachtete die übrigen Krieger seines Kommandos. Sie standen lautlos daneben und verfolgten den Lauf des Dramas.
    »Tötet ihn.« Zumindest glaubte er, dass er die Worte ausgesprochen hatte, aber niemand rührte sich.
    Ha’ark wandte den Blick von ihm ab und rief etwas, und die Übrigen sanken auf die Knie und murmelten Worte einer seltsamen Sprache.
    »Ich war für dich ein Nichts, aber hier …« Und Ha’arks Lächeln verwandelte sich in ein Wolfsgrinsen. »… hier kann ich König sein.«
    Ha’ark drückte die Mündung seines Gewehrs an Kasars Stirn, und in diesem Augenblick fand Kasar heraus, ob seine Überlegungen über das Nichts letztlich zutrafen.
     

Sechstes Jahr der Rus-Republik
     
    Sergeant Major Hans Schuder vom Fünfunddreißigsten Maine-Freiwilligenregiment stocherte widerstrebend in seinem Essen herum und saß schweigsam da. Er betrachtete die Schüssel voller Grütze sorgfältig und nahm den Inhalt im fahlen Licht der Jurte konzentriert in Augenschein. Das Essen wirkte sauber. Eine Erinnerung an seine Dienstzeit auf der Prärie im Kampf gegen die Comanchen ging ihm durch den Sinn, und er schüttelte traurig den Kopf. War damals egal, wie das Essen aussah, so verflucht dankbar war man dafür, einschließlich der Maden und all dessen. Aber heute …
    Die Mistkerle hatten versucht, ihn zu zwingen, dass er »Viehfleisch« verzehrte. Für sie gehörte das zum Ritual, mit dem man ein Schoßtier gefügig machte. Man bringe jemanden dazu, das Fleisch der eigenen Lebensform zu essen, und das größte aller Tabus ist gebrochen. Selbst wenn man später flieht, ist man nicht mehr derselbe, ein Ausgestoßener im eigenen Volk. Hans hatte sich gewehrt, selbst als sie ihn festhielten und ihm gekochtes Fleisch in den Mund zwängten. Als sie gingen, zwang er sich, alles wieder zu erbrechen.
    Klar, sie hatten ihn auch überlistet. Kurz nach seiner Gefangennahme erklärten sie ihm eines Morgens, woraus eine schmackhafte Suppe vom Abend zuvor angerichtet worden war – einem toten Cartha, Teil eines Schwungs von Gefangenen, die die Reste der Merkihorde auf der Flucht nach Südwesten mitgenommen hatten. Damals versuchte er zum ersten Mal, sich das Leben zu nehmen. Später folgten weitere Versuche. Er hatte sich verzweifelt bemüht, damit zum Erfolg zu kommen, zumindest anfänglich. Heute jedoch, nach einem Jahr in Gefangenschaft, war der Wunsch zu sterben erloschen. Sie hatten ihn überlistet, aber in einem geheimen Winkel seiner Gedanken wusste er, dass sie ihn nicht brechen konnten, solange er nicht bewusst Menschenfleisch aß. Auch etwas anderes hielt ihn inzwischen am Leben. Es war so seltsam, dieses merkwürdige neue Gefühl.
    Sie schlief auf der anderen Seite der Jurte zusammengerollt unter einer schmutzigen Decke, fast wie ein Kind. Seltsam – sie ist ja auch fast noch ein Kind, nicht älter als zwanzig oder zweiundzwanzig, während ich die fünfzig überschritten habe, dachte er. Er setzte sich neben sie. Sie bewegte sich im Schlaf, murmelte etwas, und ein besorgter Ausdruck trat auf ihre Stirn. Er betrachtete sie intensiv. Sie seufzte; die Stirn glättete sich wieder, und das ganze Gesicht

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