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Fortinbras ist entwischt

Fortinbras ist entwischt

Titel: Fortinbras ist entwischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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sicher einen Schlafanzug?»
    «Hm... nein», sagte Rufus. «Ich hatte einen», fügte er stolz hinzu. «Aber einer der Häuptlinge war ganz versessen darauf, und da hatte ich nicht das Herz...» Er zögerte. «Er trägt ihn bei diesen ungeheuer wichtigen Festen, den Jünglingsweihen. Ich... ich fühle mich eigentlich recht geschmeichelt.»
    «Rufus, du hättest dir doch einen neuen kaufen können.»
    «Ja.» Er sah sie verlegen an. «Das hatte ich auch vor in London. Aber ich bin ein bißchen vergeßlich, und irgendwie schienen auch die Herrenläden immer auf der anderen Straßenseite zu liegen und...» Er schauderte.
    «Machen Sie sich keine Sorgen, liebe Mrs. Darling», sagte Hilda Twegg fröhlich. «Ich bügle ihm heute nacht seinen Anzug, und morgen sieht er aus wie ein Dressman im Fernsehen.»
    Mrs. Darling überhörte diese Freudenbotschaft. Sie war ganz mit ihrem Neffen beschäftigt. «Aber du hast doch sicher einen zweiten Anzug im Koffer, er ist ja schließlich groß genug.»
    «Nein», sagte er, «er ist voller Papier.»
    «Voller was?»
    «Papier. Ich schreibe ein Buch über den Rückgang des Kannibalismus im Gebiet des Limpopo. Der kleine Junge hat mich schon danach gefragt. Ich... ich habe mir schon viele Notizen gemacht.»
    Mrs. Darling stieß einen Seufzer aus. Bei einer weniger feinen Dame hätte man gesagt, sie habe empört geschnaubt.
    Doch Hilda Twegg blickte ehrfürchtig und bewundernd zu Rufus auf. «Nein, so was!» sagte sie. «Noch ein Schriftsteller. Ich dichte jeden Donnerstag, Mr. Darling.»
    «Wirklich?»
    «Ja, und Mr. Pentecost schreibt auch, man könnte fast sagen, wir alle schreiben hier», sagte sie. «Machen Sie denn eine Synopsis, ehe Sie anfangen? Mr. Pentecost tut das nicht. Aber ich finde, man muß es tun. Was meinen Sie?»
    Mrs. Darling sagte: «Wenn Sie meinen Neffen jetzt entbehren mkönnen, Mrs. Twegg, würde ich vorschlagen, daß ich ihn mit den anderen Anwesenden bekannt mache.»
    «Ja, natürlich, liebe Mrs. Darling, ich bin leider wieder ins Schwatzen gekommen, wie gewöhnlich. Also geben Sie mir heute abend den Anzug, Mr. Darling, und morgen früh ist er so gut wie neu.»
    «Vielen Dank», sagte er, «recht vielen Dank.» Während man ihn ins Haus führte, dachte er: Diese Frau wäre am Limpopo nicht mit Gold aufzuwiegen.
     
    May kehrte gerade die Asche aus dem Wohnzimmerkamin, als Mrs. Darling sagte: «Meine Liebe, ich weiß zwar, wie beschäftigt Sie sind, aber darf ich Ihnen meinen Neffen Rufus vorstellen?»
    «Guten Tag», sagte May. Der Fremde sah sie an, als sei ihr Gesicht mit Kohlenstaub verschmiert, was, wie sich später herausstellte, tatsächlich der Fall war.
    «Guten Tag», sagte Rufus.
    «Spielen Sie Bridge?» fragte May.
    «Ja.»
    «Eine Fügung des Himmels! Jocelyn - mein Mann - wird entzückt sein. Er wird Sie mit offenen Armen empfangen.» Den Aschenkasten in der Hand, schwebte sie aus dem Zimmer.
    Oh, dieses England! Wenn ich es doch bloß schon hinter mir hätte, dachte er. Eine schöne und charmante Frau, aber die Begrüßung war nicht gerade herzlich gewesen. Überall diese unpersönliche, ja, fast feindselige Kühle. Er setzte seine Hoffnungen auf ihren Mann. Bei ihm durfte er wohl auf einen wärmeren Empfang rechnen, wenn auch vermutlich nur deshalb, weil er Karten spielen konnte.
     
    «John, darf ich Ihnen meinen Neffen Rufus vorstellen?»
    Opa musterte ihn. Er war ehrlich enttäuscht von Helenas Neffen. Der Bursche sah ja aus, als hätte er in seinen Kleidern übernachtet. Und was für ein alberner Name. Für Opa war jeder Engländer suspekt, der nicht John, George, Edward oder Albert hieß, und er verdächtigte ihn bedenkenlos, auch sonst von der Norm abzuweichen. (Daß sein eigener Sohn auf den Namen Jocelyn getauft wurde, war einzig und allein Schuld seiner Frau gewesen und hatte zu einer der längsten und schwersten Krisen in seiner Ehe geführt.)
    Opa ließ nie jemanden im unklaren darüber, wenn er ihm mißfiel.
    «Guten... guten Tag», sagte Rufus unsicher.
    Der verdammte Kerl stottert auch noch! Doch Opa überwand sich schließlich: er hatte ja einen Gast vor sich. Er setzte ein Lächeln auf, das Rufus an gewisse afrikanische Wudu-Masken erinnerte. Er sagte: «Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause, junger Freund. Sherry? Ach, übrigens, spielen Sie Bridge?»
    «Ja... nicht besonders gut.»
    «Oh, das ist endlich einmal eine erfreuliche Nachricht für den guten Jocelyn, was, Helena? Jocelyn wird begeistert sein», kicherte er vergnügt.
    In

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