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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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der Ort wirkte wie ein Trugbild. Die Behausungen waren fast alle aus Segeltuch, und die Lampen im Innern machten es durchsichtig, daß es schwach schimmerte wie polierter Bernstein. Die Fackeln und die offenen Feuer auf den Straßen und die Musik aus den Spielhöllen trugen ihren Teil bei zu der Unwirklichkeit der Szenerie. Tao Chi’en suchte einen Unterschlupf, in dem sie die Nacht verbringen konnten, und stieß auf einen großen Schuppen von etwa fünfundzwanzig Metern Länge und acht Metern Breite, gefertigt aus Planken und Metallplatten, die aus den aufgegebenen Schiffen losgebrochen worden waren, und gekrönt von einem Schild mit der Aufschrift »Hotel«. Innen gab es zweistöckige Schlafkojen, einfache Holzge– stelle, auf denen ein Mann zusammengerollt liegen konnte, und im Hintergrund einen Tresen, an dem Alkohol verkauft wurde. Fenster fehlten völlig, das bißchen Luft zum Atmen kam durch die Ritzen zwischen den Wandplatten.
    Für einen Dollar erwarb man das Recht, zu übernachten, mußte aber sein Bettzeug selber mitbringen. Die zuerst Gekommenen belegten die Kojen mit Beschlag, die übrigen würden auf dem Fußboden schlafen müssen, aber obwohl noch Kojen frei waren, wurde ihnen keine zugewiesen, weil sie Chinesen waren. Sie legten sich auf die nackte Erde mit dem Kleiderbündel als Kopfkissen, dem Sarape und der Wolldecke als einzigem Deckbett. Bald füllte sich der Schuppen mit Männern jeglichen Schlages, die sich in dichtgedrängten Reihen nebenein– ander ausstreckten, in ihren Kleidern und die Waffen griffbereit. Der Gestank von Schmutz, Tabakrauch und menschlichen Ausdünstungen, dazu noch das Schnarchen und die rauhen Stimmen derer, die sich in ihren Albträumen verirrten, erschwerten das Schlafen, aber Eliza war so müde, daß sie nicht merkte, wie die Stunden vergingen. Sie erwachte in der Nacht, zitternd vor Kälte an Taos Rücken gekauert, und da entdeckte sie seinen Meeresgeruch. Auf dem Schiff war er mit dem des unendlichen Wassers ringsum eins gewesen, aber in dieser Nacht erfuhr sie, daß es der besondere Körpergeruch dieses Mannes war. Sie schloß die Augen, drückte sich fester an ihn und schlief gleich wieder ein.
    Am folgenden Tag machten sie sich auf die Suche nach Chilecito, das Eliza sofort erkannte, weil eine chilenische Fahne stolz auf einem hohen Pfahl flatterte und weil die meisten Männer die typischen kegelförmigen Maulinos- Hüte trugen. Es bestand aus acht bis zehn Häuserblocks, vollgestopft mit Menschen, darunter einige Frauen und Kinder, die zusammen mit den Männern gereist waren, und alle waren emsig beschäftigt.
    Die Wohnstätten waren Zelte, Hütten und Bretter– baracken, umgeben von wirren Haufen aus Gerätschaften und Unrat, es gab auch Speisehäuser, behelfsmäßige Hotels und Bordelle. Sie schätzten die Chilenen, die in dem Viertel untergekommen waren, auf einige tausend, aber niemand hatte sie gezählt, und im Grunde war dies ja nur ein Durchgangsort für Neuankömmlinge. Eliza war glücklich, als sie die Sprache ihres Landes hörte und ein Schild an einer schäbigen Segeltuchbude entdeckte, das Pequenes und Chunchules anbot. Sie trat heran und verlangte eine Portion Chunchules, wobei sie darauf bedacht war, die Wörter nicht allzu echt auszusprechen.
    Tao Chi’en betrachtete das sonderbare Futter, das mangels Teller auf einem Stück Zeitungspapier serviert wurde, und konnte nicht ergründen, was zum Teufel das war. Eliza erklärte ihm, es seien in Fett gebratene Schweinekaldaunen.
    »Gestern habe ich deine chinesische Suppe gegessen, heute wirst du meine chilenischen Chunchules essen«, befahl sie.
    »Woher könnt ihr Chinos Spanisch?« fragte der Verkäufer freundlich.
    »Mein Freund spricht es kaum, und ich nur, weil ich eine Weile in Peru gewesen bin«, antwortete Eliza.
    »Und was sucht ihr hier?«
    »Einen Chilenen, er heißt Joaquín Andieta.«
    »Warum sucht ihr ihn?«
    »Wir haben eine Nachricht für ihn. Kennen Sie ihn?«
    »Hier sind in den letzten Monaten so viele Leute durchgekommen. Keiner bleibt länger als ein paar Tage, wie der Wind sind sie weg zu den Fundstätten. Einige kommen zurück, andere nicht.«
    »Und Joaquín Andieta?«
    »Ich kann mich nicht erinnern, aber ich werde mal rumfragen.«
    Eliza und Tao Chi’en setzten sich zum Essen in den Schatten einer Pinie. Zwanzig Minuten später kam der Verkäufer mit einem Mann zurück, der wie ein nord– chilenischer Indio aussah, kurzbeinig und breitschultrig, und der sagte, Joaquín

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