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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Andieta sei vor mindestens zwei Monaten zu den Lagerstätten am Sacramento aufgebro– chen, allerdings achte hier niemand auf den Kalender oder kümmere sich darum, wer wohin verschwindet.
    »Wir gehen zum Sacramento, Tao«, entschied Eliza, als sie Chilecito verlassen hatten.
    »Du kannst noch nicht herumreisen. Du mußt dich eine Zeltlang ausruhen.«
    »Ich werde mich dort ausruhen, wenn ich ihn gefunden habe.«
    »Ich fahre lieber mit Kapitän Katz zurück. Kalifornien ist kein Ort für mich.«
    »Was ist los mit dir? Hast du Limonade in den Adern? Auf dem Schiff ist kein Mensch außer dem Kapitän mit seiner Bibel. Alle Welt geht Gold suchen, und du willst weiter Koch bleiben, für einen jämmerlichen Lohn!«
    »Ich glaube nicht an das schnelle Glück. Ich möchte ein ruhiges Leben.«
    »Nun gut, wenn es das Gold nicht ist, dann gibt es bestimmt etwas anderes, was dich interessiert…«
    »Lernen.«
    »Was lernen? Du weißt doch schon soviel. Du hast ja selbst Spanisch in ein paar Wochen gelernt.«
    »Ich muß noch soviel lernen!«
    »Dann bist du genau an der richtigen Stelle. Du weißt nichts von diesem Land. Hier werden Ärzte gebraucht.
    Was glaubst du, wie viele Männer es in den Minen gibt? Tausende! Und die brauchen ab und an einen Arzt. Hier hast du alle Möglichkeiten der Welt, Tao! Komm mit mir nach Sacramento. Überhaupt, wenn du nicht mit mir kommst, werde ich es nicht sehr weit schaffen…«
    Auf einem nicht eben Vertrauen erweckenden Schiff machten Tao Chi’en und Eliza sich auf gen Norden durch die weit gedehnte Bucht von San Francisco. Das Schiff war voll von Reisenden mit ihren sperrigen Bergbauausrüstungen, keiner konnte sich rühren in dem beschränkten Raum, der verstopft war von Kisten, Werkzeugen, Körben und Säcken mit Vorräten, Pulver und Waffen. Der Kapitän und sein erster Offizier waren zwei ungemein häßliche Yankees, aber sie waren scheint’s gute Seefahrer und knauserten nicht mit dem Alkohol. Tao Chi’en handelte mit ihnen Elizas Überfahrt aus, und ihm erlaubten sie, die Reisekosten mit Matrosendiensten abzuarbeiten. Die Passagiere, alle mit der Pistole neben dem Messer im Gürtel, sprachen während des ersten Tages selten miteinander, außer wenn sie sich wegen eines Rippenstoßes oder Fußtritts, unvermeidbar in der Enge, Beleidigungen an den Kopf warfen. Im Morgengrauen des zweiten Tages, nach einer langen kaltfeuchten Nacht, in der sie nahe dem Ufer geankert hatten, weil das Segeln im Dunkeln nicht möglich war, fühlte sich jeder von Feinden umgeben. Der Nachtschweiß, die Bartstoppeln, der Schmutz, das abscheuliche Essen, die Flöhe und der Wind, alles trug dazu bei, die Gemüter zu erbittern. Tao Chi’en, der einzige, der weder Pläne noch Ziele hatte, war heiter und gelassen, und wenn er nicht mit dem Segel kämpfte, bewunderte er das großartige Panorama. Eliza dagegen war recht verzweifelt in ihrer Rolle als taubstummer und beschränkter Junge. Tao Chi’en hatte sie kurz als seinen kleinen Bruder vorgestellt und sie dann in einem einiger– maßen windgeschützten Winkel unterbringen können, wo sie so still und lautlos saß, daß sich schon bald niemand mehr an sie erinnerte. Ihre Wolldecke war klamm vor Feuchtigkeit, sie zitterte in der Kälte, die Füße waren ihr eingeschlafen, aber der Gedanke, daß jede Minute sie Joaquín näher brachte, stärkte sie. Sie berührte ihre Brust, wo Joaquíns Liebesbriefe ruhten, und sagte sie sich stumm aus dem Gedächtnis auf. Am dritten Tag hatten die Passagiere ein gut Teil ihrer Angriffslust verloren und lagen in ihren nassen Sachen nur kraftlos da, ein bißchen betrunken und ziemlich mutlos.
    Die Bucht dehnte sich soviel weiter aus, als sie angenommen hatten, die auf ihren lächerlichen Karten angegebenen Entfernungen stimmten in nichts mit den wirklichen Meilen überein, und als sie glaubten, am Ziel zu sein, stellte sich heraus, daß sie noch eine zweite Bucht durchqueren mußten, die San Rafael Bay. An den Ufern konnte man mehrere Camps ausmachen und Boote voller Menschen und Waren, dahinter grünten dichte Wälder. Auch hier endete die Reise noch nicht, sie mußten durch eine Art Wildwasserkanal und gelangten in eine dritte Bucht, die Suisun Bay, wo das Segeln noch langsamer und schwieriger wurde, und dann in einen schmalen, tiefen Fluß, der sie nach Sacramento brachte. Endlich waren sie dem Stück Erde nahe, wo die erste Goldschuppe gefunden worden war. Dieses unbedeutende bißchen Metall, nicht größer als der

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