Fortunas Tochter
begriff nicht, wieso ihn der Gedanke völlig kaltließ, sein Glück in den Goldgruben zu suchen, während alle in seiner Umgebung, besonders seine chinesischen Lands– leute, an nichts anderes dachten.
»Dich interessiert das Gold doch auch nicht«, entgegnete er unerschütterlich, wenn sie es ihm vorwarf.
»Ich bin wegen einer anderen Sache hier! Weshalb bist du hergekommen?«
»Weil ich Matrose war. Ich dachte gar nicht daran, zu bleiben, bis du mich darum gebeten hast.«
»Du bist kein Matrose, du bist Arzt.«
»Hier kann ich wieder Arzt sein, wenigstens eine Zeitlang. Du hattest recht, hier gibt es viel zu lernen.«
Und darum bemühte er sich in diesen Tagen. Er nahm Verbindung zu Indianern auf, um etwas über die Heilkunst ihrer Medizinmänner zu erfahren. Es waren herunterge– kommene Gruppen umherwandernder Indianer in schmut– zigen Kojotenfellen und Fetzen europäischer Kleidung, die durch den Goldrausch alles verloren hatten. Sie zogen hierhin und dorthin mit ihren erschöpften Frauen und ihren hungernden Kindern, versuchten mit feingeflochtenen Weidenkörben Gold aus den Flüssen zu waschen, aber kaum hatten sie eine günstig erscheinende Fundstelle entdeckt, wurden sie mit Schüssen verjagt. Wenn sie in Ruhe gelassen wurden, bauten sie sich mit Hütten und Zelten ein kleines Dorf und ließen sich nieder, bis sie erneut gezwungen wurden weiterzuziehen. Sie wurden mit dem Chinesen vertraut, empfingen ihn achtungsvoll, weil er ein Medizinmann und also ein Weiser war, und teilten gern mit ihm ihr Wissen.
Eliza und Tao setzten sich mit ihnen im Kreis um eine kleine Grube, in der sie auf heißen Steinen einen Brei aus Eicheln zubereiteten oder Knollen und Sämereien des Waldes und Heuschrecken rösteten, die Eliza köstlich fand. Danach rauchten sie und unterhielten sich in einer Mischung aus Englisch und ein paar Brocken Einge– borenensprache, und wo gar nichts half, mit Händen und Füßen. In jenen Tagen verschwanden, man wußte nicht wie, einige Yankeegoldgräber, und obwohl keine Leichen gefunden wurden, beschuldigten ihre Kameraden die Indianer, sie ermordet zu haben, überfielen zur Vergeltung ein Dorf, nahmen vierzig Frauen und Kinder gefangen und erschossen zur Abschreckung sieben Männer.
»Wenn sie so mit den Indianern umgehen, denen immerhin dieses Land gehört, dann werden sie die Chinesen bestimmt noch schlimmer behandeln, Tao. Du mußt dich unsichtbar machen wie ich«, sagte Eliza entsetzt, als sie erfuhr, was geschehen war.
Aber Tao Chi’en hatte keine Zeit, Tricks zum Unsicht– barwerden zu lernen, er war damit beschäftigt, die Pflanzen zu studieren. Er unternahm lange Ausflüge, um sie zu sammeln, und verglich sie mit den in China verwendeten. Er mietete zwei Pferde oder wanderte meilenweit zu Fuß unter einer erbarmungslosen Sonne, und er nahm Eliza gern mit, wenn er die Ranchos der Mexikaner aufsuchte, die seit Generationen hier lebten und die Natur der Gegend kannten. Sie hatten erst vor kurzem Kalifornien im Krieg gegen die Vereinigten Staaten verloren, und die großen Ranchos, die früher Hunderte Landarbeiter in einer Gemeinschaftsordnung beherbergt hatten, begannen auseinanderzubrechen.
Anfangs hatten die Mexikaner, die etwas von Bergbau verstanden, den Neuankömmlingen die Verfahren beige– bracht, das Gold abzubauen, aber täglich trafen mehr Fremde ein und überschwemmten das Land, das die hier Lebenden als das ihre empfanden. In Wahrheit verachteten die Gringos sie genauso wie jeden Angehörigen einer anderen Hautfarbe. Eine unablässige Verfolgung der Hispanos begann, ihnen wurde das Recht verweigert, die Minen auszubeuten, weil sie keine Nordamerikaner seien, aber die australischen Sträflinge und die europäischen Abenteurer wurden als solche akzeptiert.
Tausende beschäftigungsloser Landarbeiter versuchten ihr Glück in den Minen, aber als die Diskriminierung durch die Gringos unerträglich wurde, wanderten sie in den Süden aus oder wurden kriminell. In einigen der bäuerlichen Familien, die zurückgeblieben waren, konnte Eliza ab und zu ein paar Stunden in weiblicher Gesellschaft verbringen, ein seltener Luxus, der ihr für eine kleine Weile das friedliche Glück in Mama Fresias Küche zurückbrachte. Das waren die einzigen Gelegen– heiten, wo sie aus ihrem erzwungenen Schweigen heraustrat und in ihrer Sprache redete. Diese kleinen, aber starken, großmütigen Frauen, die Schulter an Schulter mit ihren Männern die schwersten Aufgaben bewältigen mußten
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