Fortunas Tochter
Koch zu reisen, dazu mit einer Kuh und Hühnern, um auf See Milch und Eier für die Kleinen zu haben, aber ihr Mann widersetzte sich dem energisch. Der Einfall, mit der Familie auf dem Buckel auf eine solche ungewisse Fahrt zu gehen, war der schiere Wahnsinn. Seine Frau hatte den Verstand verloren.
»Wie hieß noch dieser Kapitän, der, der mit Mr. Todd befreundet war?« unterbrach ihn Paulina mitten in seiner Predigt, während sie, eine Tasse Schokolade auf dem stattlichen Bauch balancierend, an einem Blätterteig– küchlein mit Karamel knabberte - das Rezept stammte von den Klarissinnen.
»John Sommers vielleicht?«
»Ich meine den, der das Segeln satt hatte und über Dampfschiffe redete.«
»Genau der ist es.«
Paulina dachte eine Weile nach, dabei futterte sie fleißig ihre Küchlein und überhörte freundlich die Liste der Gefahren, die ihr Mann aufzählte. Sie war runder geworden und glich kaum noch dem grazilen Mädchen, das mit geschorenem Kopf aus einem Kloster geflohen war.
»Wieviel habe ich auf meinem Londoner Konto?« fragte sie schließlich.
»Fünfzigtausend Pfund. Du bist eine sehr reiche Frau.«
»Das reicht nicht. Kannst du mir das Doppelte leihen zu zehn Prozent Zinsen, zahlbar in drei Jahren?«
»Was dir für Sachen einfallen, mein Gott, Frau! Wofür zum Teufel brauchst du so viel?«
»Für ein Dampfschiff. Das große Geschäft ist nicht das Gold, Feliciano, das ist im Grunde nur Flitterkram. Das große Geschäft sind die Bergleute. Sie brauchen alles in Kalifornien und werden bar bezahlen. Es heißt, die Dampfer können geraden Kurs fahren und sind nicht von den Launen des Windes abhängig, sie sind größer und schneller. Die Segelschiffe gehören der Vergangenheit an.«
Feliciano verfolgte seine Pläne weiter, aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt, die finanziellen Vorahnungen seiner Frau nicht zu mißachten. Mehrere Nächte hindurch konnte er nicht schlafen. Er wanderte durch die protzigen Salons seines großen Hauses, vorbei an Säcken mit Proviant, Kisten mit Werkzeugen, Fässern mit Pulver und Stapeln von Waffen, und maß und wog Paulinas Worte ab. Je mehr er darüber nachdachte, um so richtiger erschien ihm die Idee, in Transport zu investieren, aber bevor er irgendeinen Beschluß faßte, besprach er sich mit seinem Bruder, der sein Partner bei allen Geschäften war. Der hörte ihm mit offenem Munde zu, und als Feliciano mit seinen Erklärungen am Ende war, schlug er sich mit der Hand vor die Stirn.
»Verdammt, Bruder! Wieso ist uns das nicht früher eingefallen?«
Inzwischen träumte Joaquín Andieta wie Tausende anderer Chilenen seines Alters und jeglicher Herkunft von Säcken voller Goldstaub und über den Erdboden verstreuten Goldbrocken. Verschiedene seiner Bekannten waren schon abgereist, darunter auch einer seiner Freunde aus der Buchhandlung Santos Tornero, ein junger Freiheitlicher, der gegen die Reichen wetterte und der erste war, wenn es darum ging, die verderbliche Wirkung des Geldes anzuprangern, aber er hatte seinem Ruf nicht widerstehen können und war aufgebrochen, ohne sich zu verabschieden. Kalifornien war für Joaquín die einzige Möglichkeit, aus der Misere herauszukommen, seine Mutter aus der Wohnkaserne zu holen und ihre kranken Lungen behandeln zu lassen; die einzige Möglichkeit, sich mit hocherhobenem Haupt und gefüllten Taschen vor Jeremy Sommers hinzustellen und um Elizas Hand zu bitten. Gold… Gold, für ihn erreichbar… Er konnte sie sehen, die Säcke voll Goldstaub, die Körbe mit riesigen Goldbrocken, die Geldscheine in seinen Taschen, den Palast, den er sich bauen lassen würde, stabiler und mit mehr Marmor als der Club de la, Unión, um den Verwandten, die seine Mutter gedemütigt hatten, das Maul zu stopfen. Er sah sich auch aus der Kathedrale treten mit Eliza Sommers am Arm, das glücklichste Brautpaar der Welt. Es war nur eme Frage des Mutes. Was für eine Zukunft bot ihm Chile? Bestenfalls würde er mit dem Zählen der Produkte alt werden, die durch das Kontor der British Trading Company gingen. Verlieren konnte er nichts, er besaß ja nichts. Das Goldfieber warf ihn völlig aus dem Gleis, er mochte nicht essen, er konnte nicht schlafen, er ging wie auf glühenden Kohlen und spähte mit irren Augen auf das Meer. Sein Buchhändlerfreund lieh ihm Landkarten und Bücher über Kalifornien und eine Broschüre über das Waschen des Metalls, die er begierig durchlas, wobei er verzweifelt Berechnungen anstellte, wie er die Reise finanzieren
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