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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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in demselben Raum mit den Schränken, der nun ihr Nest war, mindestens einmal in der Woche zu lieben. Sie hatten so wenig kostbare gemeinsame Stunden für sich, daß Eliza es einfach unsinnig fand, sie mit Philosophieren zu vergeuden; wenn geredet werden sollte, dann wollte sie lieber etwas über seine Vorlieben, seine Mutter oder seine Vergangenheit hören und über seine Pläne, sie eines Tages zu heiraten. Sie hätte alles dafür gegeben, wenn er ihr von Angesicht zu Angesicht die wundervollen Sätze gesagt hätte, die er in seinen Briefen schrieb. Zum Beispiel, daß es leichter sei, die Absichten des Windes oder die Sanftmut der Wellen am Strand zu messen als die Stärke seiner Liebe; daß keine noch so eisige Winternacht das immerwährende Feuer seiner Leidenschaft abzukühlen vermöchte; daß er die Tage träumend und die Nächte schlaflos verbringe, unablässig heimgesucht vom Wahn– sinn der Erinnerungen und mit der Angst eines Verur– teilten die Stunden zählend, die ihn noch von ihrer erneuten Umarmung trennten; »Du bist mein Engel und mein Verderben, bist Du bei mir, erlange ich göttliche Ekstase, und bist Du fern, steige ich in die Hölle hinab - worin besteht diese Macht, die Du über mich ausübst, Eliza? Sprich mir nicht von morgen oder gestern, ich lebe nur für heute, für diesen Augenblick, in dem ich wieder in die unendliche Nacht Deiner dunklen Augen eintauche.« Genährt von Miss Roses Romanen und den Dichtern der Romantik, deren Verse sie auswendig kannte, verlor das Mädchen sich in dem berauschenden Entzücken, sich wie eine Göttin angebetet zu fühlen, und erkannte nicht die Unstimmigkeit zwischen diesen flammenden Erklärungen und der realen Person Joaquín Andieta. In den Briefen verwandelte er sich in den vollkommenen Geliebten, der fähig war, seine Leidenschaft mit so engelhaftem Atem zu beschreiben, daß Schuld und Furcht dahinschwanden und dem schrankenlosen Überschwang der Sinne Platz machten. Niemand hatte jemals so geliebt, unter allen Sterblichen waren sie auserwählt für eine einzigartige Leidenschaft, schrieb Joaquín in seinen Briefen, und Eliza glaubte ihm. Und dennoch war seine Liebe hastig, hungrig, er liebte, ohne es zu genießen, als wäre er einem Laster verfallen und von Schuldgefühl verzehrt. Er nahm sich nicht die Zeit, ihren Körper kennenzulernen oder den eigenen zu entdecken, die Macht des Verlangens und der Verheimlichung überwältigten ihn. Ihm schien, als reichte ihnen nie die Zeit, obwohl Eliza ihn beruhigte und ihm erklärte, daß bei Nacht nie jemand in diesen Raum komme, daß die Sommers ihren Betäubungsschlaf schliefen, Mama Fresia desgleichen in ihrer Hütte im Patio, und daß die Zimmer der übrigen Dienstboten außer Hörweite lägen. Der Instinkt schürte die Kühnheit des Mädchens und stachelte sie an, die vielfachen Möglich– keiten der Lust zu erforschen, aber sie lernte bald sich zurückzuhalten. Ihre Initiativen im Liebesspiel versetzten Joaquín in die Defensive, er fühlte sich kritisiert, verletzt und in seiner Männlichkeit bedroht.
    Die bösesten Vermutungen peinigten ihn, denn er konnte sich soviel natürliche Sinnlichkeit in einem Kind von sechzehn Jahren nicht vorstellen, dessen einziger Horizont die Wände seines Hauses waren. Die Furcht vor einer Schwangerschaft verschlimmerte alles, denn keiner der beiden wußte, wie man sie verhinderte. Joaquín hatte eine vage Vorstellung davon, wie die Befruchtung vor sich ging, und nahm an, wenn er sich rechtzeitig zurückziehe, seien sie sicher, aber das gelang ihm nicht immer. Er bemerkte sehr wohl Elizas Enttäuschung, aber er wußte nicht, wie er sie trösten sollte, und statt es zu versuchen, flüchtete er sich in seine Rolle als intellektueller Mentor, wo er sich sicher fühlte. Während sie sich danach sehnte, liebkost zu werden oder wenigstens an der Schulter des Geliebten auszuruhen, löste er sich von ihr, zog sich hastig an und vergeudete die kostbare Zeit, die ihnen noch verblieb, indem er immer neue Argumente für dieselben hundertmal wiederholten politischen Ideen vom Stapel ließ. Diese mißratenen Umarmungen beunruhigten Eliza sehr, aber sie wagte nicht, es zuzugeben, nicht einmal in der tiefsten Tiefe ihres Bewußtseins, denn das hieße ja, die Bedeutung der Liebe in Frage zu stellen. Worauf sie in die Falle geriet: sie bemitleidete und entschuldigte ihren Liebsten und dachte, wenn sie mehr Zeit hätten und einen sicheren Ort, dann würden sie sich richtig gut lieben.

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