Fortunas Tochter
einsacken! Man hat Klumpen so groß wie Orangen gesehen! Jeder, der ein bißchen Mumm hat, kann da glatt Millionär werden!« erzählte er, keuchend vor Begeiste– rung.
Zu Beginn dieses Jahres hatte nahe der Mühle eines Schweizer Farmers am Ufer des American River ein gewisser Marshall im Wasser ein Plättchen Gold gefunden.
Dieses gelbe Partikelchen, das den Wahnsinn entfesselte, wurde entdeckt neun Tage nachdem der Krieg zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten mit der Unterzeichnung des Vertrages von Guadalupe Hidalgo beendet worden war. Als sich die Neuigkeit verbreitete, gehörte Kalifornien nicht mehr zu Mexiko. Bevor bekannt wurde, daß dieses Land auf einem unerschöpflichen Schatz saß, war niemandem viel daran gelegen gewesen; für die Amerikaner war es Indianergebiet, und die Pioniere zogen es vor, Oregon zu erobern, wo sich, wie sie glaubten, die Landwirtschaft besser betreiben lasse. Mexiko betrachtete es als eine Ansammlung von Spielhöllen und Gaunern und ließ sich nicht herab, seine Truppen hinzuschicken, um es während des Krieges zu verteidigen. Bald nach dem Fund verkündete Sam Brannan, Herausgeber einer Zeitung und Mormonen– prediger, der entsandt worden war, um seinen Glauben zu verbreiten, die Neuigkeit auf den Straßen von San Francisco. Vielleicht hätten sie ihm nicht geglaubt, sein Ruf war ein wenig zwielichtig - es ging das Gerücht, er habe schlechten Gebrauch von dem Geld Gottes gemacht, und als die Mormonenkirche verlangte, er solle es zurückgeben, habe er erwidert, das werde er gern tun, gegen eine von Gott unterschriebene Quittung -, aber er stützte seine Worte mit einer Flasche voller Goldstaub, die von Hand zu Hand ging und die Menge aufpeitschte. Bei dem Schrei Gold! Gold! ließ jeder zweite alles stehen und liegen und machte sich auf zu den Goldfeldern. Die einzige Schule mußte geschlossen werden, weil nicht einmal die Kinder blieben. In Chile hatte die Neuigkeit die gleiche durchschlagende Wirkung. Der Durchschnittslohn betrug zwanzig Centavos am Tag, und die Zeitungen redeten davon, endlich sei El Dorado entdeckt, die Stadt, von der die Conquistadoren geträumt hätten, die Stadt, deren Straßen mit dem kostbaren Metall gepflastert seien:
»Der Reichtum der Minen ist so groß wie der, von dem die Geschichten Sindbads erzählen oder das Märchen von Aladins Wunderlampe; stellen Sie sich ohne Angst vor Übertreibung vor, daß der Gewinn sich auf eine Unze pures Gold pro Tag beläuft«, berichteten die Blätter und fügten hinzu, es sei genügend da, um Tausende Männer Jahrzehnte hindurch reich zu machen. Das Feuer der Habsucht breitete sich sofort auch unter den Chilenen aus, die Bergmannsseelen hatten, und im Monat darauf setzte sich die Stampede Richtung Kalifornien in Bewegung. Verglichen mit jedem Abenteurer, der vom Atlantik angesegelt kam, hatten die Chilenen nur den halben Weg zurückzulegen. Die Reise von Europa nach Valparaíso dauerte drei Monate und von dort nach San Francisco weitere zwei. Die Entfernung zwischen Valparaíso und San Francisco betrug keine siebentausend Meilen, während zwischen der Ostküste Nordamerikas und den Fundorten um Kap Horn herum fast zwanzigtausend Meilen lagen. Das war, wie Joaquín Andieta überlegte, ein beachtlicher Vorsprung für die Chilenen, weil sich die zuerst Gekommenen natürlich die besten Goldadern sichern würden.
Feliciano Rodríguez de Santa Cruz stellte die gleiche Rechnung an und beschloß, sich sofort mit fünf seiner besten und verläßlichsten Bergarbeiter einzuschiffen, denen er eine gute Belohnung versprach als Ansporn und als Entschädigung dafür, daß sie ihre Familien verlassen und sich in diese gefahrvolle Unternehmung stürzen sollten. Es nahm drei Wochen in Anspruch, bis Gepäck und Ausrüstung beisammen waren für einen mehrere Monate dauernden Aufenthalt in jenem Land im Norden, das er sich öde und wild vorstellte. Er war erheblich im Vorteil gegenüber der Mehrzahl der Ahnungslosen, die blindlings und ohne die nötigen Mittel loszogen, getrieben von der Lockung eines leicht errungenen Vermögens, aber ohne die geringste Vorstellung von den Gefahren und Mühen des Vorhabens. Er war nicht bereit, wie ein Bauernknecht zu schuften und sich den Rücken krumm zu machen, er wollte mit allem wohlversorgt sein und auch zuverlässige Diener mitnehmen, wie er seiner Frau erklärte, die ihr zweites Kind erwartete, aber darauf bestand, ihn zu begleiten. Paulina gedachte mit zwei Kindermädchen und ihrem
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