Fortunas Tochter
Viel schöner als der Liebesakt waren die Stunden danach, wenn sie erfand, was nicht gewesen war, und in den Nächten träumte, was vielleicht das nächste Mal im Zimmer der Schränke geschehen würde.
Mit demselben Ernst, mit dem sie all ihre Handlungen betrieb, machte sie sich nun an die Aufgabe, ihren Geliebten zu idealisieren, bis er ihr zur Besessenheit wurde.
Sie wünschte sonst nichts, als ihm bedingungslos zu dienen bis ans Ende ihrer Tage, sich zu opfern und zu leiden, um ihre Selbstverleugnung zu beweisen, für ihn zu sterben, wenn es nötig sein sollte. Geblendet durch den Zauber dieser ersten Leidenschaft, merkte sie nicht, daß diese nicht mit gleicher Intensität erwidert wurde.
Ihr Liebhaber war niemals ganz gegenwärtig. Noch in den wildesten Umarmungen auf dem Vorhängelager war sein Geist nicht beteiligt, sondern bereit, sich anderweitig zu ergehen, oder schon fort. Er gab sich nur halb, flüchtig, in einem entnervenden chinesischen Schattenspiel, aber beim Abschied, wenn Eliza ganz nahe daran war, in Tränen auszubrechen, überreichte er ihr einen seiner wundervollen Briefe. Dann verwandelte sich für Eliza das ganze Universum in einen Spiegel, dessen einziger Zweck es war, ihre Gefühle zurückzustrahlen. Der mühseligen Aufgabe der absoluten Verliebtheit unterworfen, zweifelte sie nicht an Joaquíns Fähigkeit der vorbehaltlosen Hingabe und wollte sein doppeltes Gesicht nicht sehen. Sie hatte einen vollkommenen Geliebten erfunden und fütterte diese Schimäre mit Hartnäckigkeit. Ihre Einbildungskraft entschädigte sie für die unergiebigen Umarmungen ihres Geliebten, die sie in dem dunklen Limbus des unbefriedigten Verlangens verloren zurückließen.
ZWEITER TEIL
1848-1849
Die Nachricht
Am 21. September, dem Tag des Frühlingsanfangs nach Miss Roses Kalender, wurden die Räume gelüftet, die Betten und Decken in die Sonne gelegt, die Möbel gewachst und die Fenstervorhänge des Salons ausgewechselt. Mama Fresia wusch die geblümten Cretonnegardinen ohne Kommentar, sie war überzeugt, daß die getrockneten Flecken von Ratten stammten. Im Patio bereitete sie große Tongefäße mit heißer Waschlauge und Panamarinde vor und weichte die Vorhänge einen ganzen Tag dann ein, stärkte sie nach dem Waschen in Reiswasser und ließ sie in der Sonne trocknen; dann wurden sie von zwei Frauen gebügelt, und als sie wieder wie neu waren, wurden sie aufgehängt, um die junge Jahreszeit zu begrüßen. Eliza und Joaquín, gleichgültig gegenüber Miss Roses Frühlingsturbulenzen, liebten sich nunmehr auf den grünen Samtvorhängen, die weicher waren als die aus Cretonne. Es war nicht mehr kalt, und die Nächte waren klar. Sie liebten sich nun schon seit drei Monaten, und Joaquíns Briefe, gewürzt mit poetischen Wendungen und flammensprühenden Liebes– erklärungen, waren erheblich seltener geworden.
Eliza litt, wenn ihr Geliebter wieder so abwesend war, manchmal umarmte sie ein Phantom. Sosehr das unbefriedigte Verlangen sie auch schmerzte und die ständigen Heimlichkeiten sie belasteten, hatte das Mädchen doch nach außenhin ihre Ruhe wiedererlangt. Sie verbrachte die Stunden des Tages mit denselben Beschäftigungen wie vorher, unterhielt sich mit ihren Büchern und Klavierübungen oder betätigte sich eifrig in der Küche und im Nähstübchen, ohne die geringste Lust zu bezeigen, aus dem Haus zu gehen, aber wenn Miss Rose sie um ihre Begleitung bat, folgte sie ihr bereitwillig wie jemand, der nichts Besseres zu tun hat. Sie ging früh schlafen und stand früh auf wie immer, sie hatte guten Appetit und sah gesund aus, aber Miss Rose und Mama Fresia waren nicht so leicht zu täuschen. Sie ließen sie nicht aus den Augen. Sie bezweifelten, daß der Liebes– rausch so plötzlich verpufft sein sollte, aber als Wochen vergingen und Eliza noch immer keine Spur von Verstört– heit zeigte, legte sich ihre Wachsamkeit allmählich.
Vielleicht waren die Kerzen für den heiligen Antonius doch etwas nütze gewesen, überlegte die India; vielleicht war es ja gar keine Liebe gewesen, dachte Miss Rose ohne viel Überzeugung.
Die Nachricht von den Goldfunden in Kalifornien hatte Chile im August erreicht. Anfangs war es nur ein verrücktes Gerede von betrunkenen Seeleuten in den Bordellen von El Almendral gewesen, aber ein paar Tage später meldete der Kapitän des Schoners »Adelaida«, daß die Hälfte seiner Matrosen in San Francisco desertiert sei.
»Das Gold ist überall, du kannst es mit der Schaufel
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