Fortunas Tochter
den jeweils besten Bieter und nahmen an einem Tag soviel ein wie normalerweise im ganzen Jahr. Seither waren mehr als fünfhundert Frauen angekommen, fast alle Mexikanerinnen, Chileninnen und Peruanerinnen, dazu ein paar Nordamerikanerinnen und Französinnen, aber ihre Anzahl war unzureichend verglichen mit der zunehmenden Invasion alleinstehender junger Männer.
Azucena Placeres hörte nichts von den Geschichten des Yankees, weil Tao Chi’en sie mit hinunter in den Kiel– raum genommen hatte, als er hörte, daß der Zollbeamte an Bord gekommen war. Er würde das Mädchen nicht im Sack auf dem Rücken eines Stauers vom Schiff hinunter– schaffen können, denn sicherlich würden alle Säcke überprüft werden. Eliza war verdutzt, als sie die beiden sah, die kaum wiederzuerkennen waren: sein Kittel nebst Hose waren frischgewaschen, sein straff geflochtener Zopf glänzte wie geölt, dazu hatte er sich Stirn und Gesicht sorgfältig rasiert bis aufs letzte Härchen, während Azucena Placeres die Bäuerinnentracht gegen ihren Paradestaat vertauscht hatte, sie trug ein blaues Kleid mit Federn im Ausschnitt, ihr hochfrisiertes Haar hatte sie mit einem Hut gekrönt, Lippen und Wangen waren karminrot geschminkt.
»Die Reise ist zu Ende, und du lebst noch, Mädchen«, verkündete sie fröhlich.
Sie wollte Eliza eines ihrer auffallenden Kleider leihen und sie mit von Bord nehmen, als wäre sie eine von ihrer Gruppe, ein gar nicht so unsinniger Gedanke, denn sicherlich würde ihr auf dem Festland gar nichts anderes übrigbleiben, wie sie erklärte.
»Ich werde meinen Bräutigam heiraten«, entgegnete Eliza zum hundertsten Mal.
»Wie die Dinge hier stehen, ist kein Bräutigam etwas nütze. Wenn du, um essen zu können, deinen Hintern verkaufen mußt, dann verkaufst du ihn. In dieser Gegend kannst du nicht auf Kleinigkeiten achtgeben, Kind.«
Tao Chi’en unterbrach sie. Wenn zwei Monate lang sieben Frauen auf dem Schiff gewesen waren, konnten nicht acht von Bord gehen, das war ja wohl klar. Die Gruppe Mexikaner und Chinesen, die zum Ausladen gekommen waren und jetzt an Deck auf die Befehle des Kapitäns und des Zollbeamten warteten, hatten ihn auf einen Gedanken gebracht. Er wies Azucena an, sie solle Elizas langes Haar zu einem Zopf flechten, wie er ihn trug, dann ging er, um etwas von seinen eigenen Sachen zu holen. Sie zogen dem Mädchen Hosen an und einen Kittel, der mit einem Strick gegürtet wurde, und setzten ihr einen schirmförmigen Strohhut auf. In diesen zwei höllischen Monaten hatte Eliza Gewicht verloren, war erschreckend mager geworden und so blaß wie Reispapier. In Tao Chi’ens Sachen, die um einiges zu groß für sie waren, sah sie aus wie ein unterernährter chinesischer Waisenknabe. Azucena Placeres schloß sie in ihre robusten Wäscherinnenarme und drückte ihr gerührt einen Kuß auf die Stirn. Sie hatte Eliza liebgewonnen und freute sich innerlich, daß sie einen Bräutigam hatte, der sie erwartete, denn sie mochte sich nicht vorstellen, daß sie den Brutalitäten eines Lebens ausgesetzt wäre, wie sie selbst es ertragen mußte.
»Du siehst aus wie ein Erdmännchen«, sagte sie lachend.
»Und wenn sie mich entdecken?«
»Was könnte als Schlimmstes passieren? Daß Katz von dir verlangt, die Reise zu bezahlen. Das kannst du mit deinem Schmuck tun, hast du ihn nicht deshalb mitgenommen?« entgegnete Azucena.
»Keiner darf wissen, daß du hier bist. Dann wird Kapitän Sommers dich nicht in Kalifornien suchen«, sagte Tao Chi’en, dessen Spanisch sich in diesen Wochen ganz erstaunlich verbessert hatte.
»Wenn er mich findet, bringt er mich zurück nach Chile.«
»Wieso? Du bist auf jeden Fall entehrt. Die Reichen schlucken so was nicht. Deine Familie muß sehr zufrieden sein, daß du verschwunden bist, so brauchen sie dich nicht auf die Straße zu jagen.«
»Bloß das? In China würden sie dich töten für das, was du getan hast.«
»Schon gut, Chinese, wir sind hier nicht in China. Jag dem Mädchen keine Angst ein. Du kannst ganz ruhig von Bord gehen, Eliza. Keiner wird auf dich achten. Sie werden damit beschäftigt sein, mich anzustarren«, versicherte ihr Azucena Placeres und verabschiedete sich in einem Wirbel von blauen Federn, die Türkisbrosche am Ausschnitt.
Und so geschah es. Die fünf Chileninnen und die zwei Peruanerinnen in ihrem üppigsten Eroberungsputz waren das Spektakel des Tages. Sie kletterten auf Strickleitern in die Boote, ihnen voran sieben vom Glück begünstigte
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