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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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vergingen, ohne daß Eliza wußte, ob es Tag oder Nacht war. Sie hatte das vage Empfinden, bisweilen sei ein weibliches Wesen bei ihr, aber dann schlief sie wieder ein, und wenn sie erwachte, war sie verwirrt und wußte nicht, ob sie von Azucena Placeres nur geträumt hatte oder ob es in der Wirklichkeit eine kleine Frau mit schwarzen Zöpfen, Stupsnase und hohen Wangenknochen gab, die aussah wie eine junge Mama Fresia.
    Das Klima wurde etwas kühler, als sie Panama hinter sich ließen, wo der Kapitän wegen der Gefahr einer Ansteckung mit Gelbfieber jeden Landgang verboten hatte, er schickte nur einen Trupp Matrosen mit dem Boot hinüber, um Süßwasser zu beschaffen, denn das wenige, was sie noch hatten, war faulig geworden. Sie segelten an Mexiko vorbei, und als die »Emilia« die kalifornischen Gewässer erreichte, gerieten sie in ein ausgesprochen kaltes Frühjahr des nördlichen Kontinents. Aus den Koffern kamen Pelzmützen, warme Stiefel, Handschuhe und allerlei Wollsachen ans Licht.
    Bei jedem Gottesdienst, den der Kapitän abhielt, dankte er dem Himmel für die günstigen Winde, denn er wußte von Schiffen, die bis Hawaii abgetrieben waren oder noch weiter. Zu den verspielten Delphinen gesellten sich große würdevolle Wale, die das Schiff über lange Strecken begleiteten. Gegen Abend, wenn das Wasser sich rot färbte im Widerschein der untergehenden Sonne, liebten sich die riesigen Tiere in einem Geprassel goldenen Schaums und riefen einander mit tiefem, unterseeischem Brüllen. Und manchmal, in der Stille der Nacht, kamen sie dem Schiff so nahe, daß man ganz klar das schwere, geheimnisvolle Rumoren ihrer Gegenwart spüren konnte.
    Die frischen Lebensmittel waren aufgezehrt, und die Trockenrationen wurden knapp; außer Kartenspiel und Angeln gab es keinerlei Ablenkungen. Die Passagiere verbrachten Stunden damit, die Einzelheiten der Kompanien zu besprechen, die sich für das Abenteuer gebildet hatten, einige mit striktem, militärischem Reglement bis hin zu Uniformen, andere gaben sich lockerer.
    Alle waren grundsätzlich übereingekommen, sich zusammenzutun, um die Reise zu finanzieren, die Minen auszubeuten, das Gold zu transportieren und sich den Gewinn gleichmäßig zu teilen. Sie wußten nichts über das fragliche Terrain und ahnten nichts von den Entfernungen. Eine der Gesellschaften legte fest, daß die Mitglieder jeden Abend zum Schiff zurückkehrten, wo sie die nächsten Monate zu wohnen gedachten, und das Gold des Tages in einem Tresor verwahrten. Kapitän Katz erklärte ihnen, die »Emilia« sei nicht als Hotel zu vermieten, denn er gedenke so bald als möglich nach Europa zurückzusegeln, und die Minen seien Hunderte von Meilen vom Hafen entfernt, aber sie hörten ihm gar nicht zu. Sie hatten seit Valparaíso zweiundfünfzig Tage auf See hinter sich, die Eintönigkeit des unendlichen Meeres hatte den Nerven zugesetzt, und die Streitereien brachen beim geringsten Vorwand aus. Als ein chilenischer Passagier seine Pistole auf einen Yankee-Matrosen anlegte und drauf und dran war, abzudrücken, weil Azucena Placeres mit dem Seemann zu heftig geschäkert hatte, konfiszierte Kapitän Katz alle Waffen einschließlich der Rasiermesser, versprach aber, sie zurückzugeben, wenn San Francisco in Sicht kam. Der einzige, dem gestattet war, mit Messern umzugehen, war der Koch, der die unerfreuliche Aufgabe hatte, die Haustiere eins nach dem andern zu schlachten. Als die letzte Kuh in den Garkesseln verschwand, improvisierte Tao Chi’en eine Zeremonie, um die Verzeihung der geopferten Tiere zu erlangen und sich von dem vergossenen Blut zu reinigen, dann reinigte er auch sein Messer, indem er es mehrmals durch die Flamme einer Fackel führte.
    Sobald das Schiff die kalifornischen Gewässer erreicht hatte, verringerte Tao Chi’en nach und nach die Beruhigungstees und setzte das Opium ab, bemühte sich, Eliza aufzupäppeln, und zwang sie, gymnastische Übungen zu machen, damit sie auf eigenen Beinen ihre Gruft verlassen konnte. Azucena Placeres seifte sie geduldig ab und schaffte es sogar, ihr mit wenigen Tassen Wasser die Haare zu waschen, während sie aus ihrem tristen Hurenleben erzählte und ihren fröhlichen Traum ausmalte, wie sie in Kalifornien reich werden und als Dame nach Chile zurückkehren würde mit sechs Koffern voller königlicher Gewänder und einem Goldzahn. Tao Chi’en war unschlüssig, auf welche Weise er Eliza vom Schiff bringen sollte, aber wenn er sie in einem Sack hatte hineinschaffen

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