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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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vermietet, andere verrotteten, von Seetang und Möwennestern übersät. Bei einem zweiten Blick entdeckte Tao Chi’en die Stadt, die ausgebreitet wie ein Fächer an den Abhängen lag, ein Durcheinander von Zelten, Hütten aus Brettern oder Pappe und einigen einfachen, aber solide aussehenden Häusern, den ersten in dieser eben erst entstehenden Stadt. Nachdem sie Anker geworfen hatten, empfingen sie das erste Boot, es war aber nicht das der Hafenbehörde, wie sie vermutet hatten, sondern das eines Chilenen, der es eilig hatte, seine Landsleute zu begrüßen und Post entgegenzunehmen. Es war Feliciano Rodríguez de Santa Cruz, der seinen wohltönenden Namen in Felix Cross abgewandelt hatte, damit die Yankees ihn aussprechen konnten. Obwohl er mit verschiedenen Passagieren befreundet war, erkannte ihn keiner, denn von dem Geck im Gehrock mit dem pomadisierten Schnurrbart, wie sie ihn zuletzt in Valparaíso gesehen hatten, war nichts übriggeblieben; vor ihnen erschien ein struppiger Gebirgler, die Haut gebräunt wie ein Indio, Russenstiefel bis zum halben Oberschenkel und zwei Pistolen am Gürtel, begleitet wurde er von einem genauso wild aussehenden Neger, der ebenfalls bewaffnet war wie ein Straßenräuber. Er war ein entflohener Sklave, der, als er den Boden Kaliforniens betrat, ein freier Mann geworden war, aber da er die Schufterei in den Minen nicht aushielt, sich sein Brot lieber als bezahlter Leibwächter verdiente. Als Feliciano sich zu erkennen gab, wurde er mit begeistertem Geschrei begrüßt und praktisch im Fluge zur Kabine der ersten Klasse gebracht, wo die Passagiere ihn nach Neuigkeiten bestürmten. Ihr einziges Interesse galt der Frage, ob das begehrte Mineral so reichlich vorhanden war, wie behauptet wurde, worauf er antwortete, es gebe noch viel mehr, und eine gelbe Substanz aus der Tasche zog, die aussah wie plattgedrückter Hundekot, und verkündete, dies sei ein Nugget von einem halben Kilo Gewicht und er sei bereit, ihn gegen allen Alkohol zu tauschen, der an Bord sei, aber es gab dann doch keinen Handel, weil nur noch drei Flaschen vorhanden waren. Das Nugget sei von den wackeren Bergleuten gefunden worden, die er aus Chile mitgebracht habe, sagte er, und die jetzt an den Ufern des American River für ihn arbeiteten. Als sie dann mit der letzten Alkoholreserve anstießen und der Chilene die Briefe seiner Frau in Empfang genommen hatte, klärte er sie darüber auf, wie man in dieser Gegend überlebte.
    »Bis vor ein paar Monaten hatten wir hier einen Ehrenkodex, und selbst die schlimmsten Strolche benah– men sich anständig. Man konnte das Gold unbewacht im Zelt liegenlassen, keiner rührte es an. Aber inzwischen hat sich alles geändert. Jetzt herrscht das Gesetz des Dschun– gels, das einzige Credo ist die Habgier. Trennen Sie sich nicht von Ihren Waffen, und gehen Sie paarweise oder in Gruppen, dies ist Banditenland«, erklärte er.
    Mehrere Boote umkreisten inzwischen das Schiff, besetzt und gerudert von Männern, die mit Geschrei allen möglichen Handel anboten und kaufen wollten, was zu kaufen war, denn auf dem Festland konnten sie es um den fünffachen Preis wieder verkaufen. Die leichtgläubigen Reisenden würden bald genug entdecken, auf welch niederträchtige Spekulation sie hereingefallen waren. Am Nachmittag erschien der Hafenmeister, begleitet von einem Zollbeamten, ihm folgten zwei Boote mit mehreren Mexikanern und ein paar Chinesen, die sich anboten, die Fracht des Schiffes auf den Kai zu schaffen. Sie verlangten ein Vermögen, aber es gab keinen anderen Weg. Der Hafenmeister zeigte keinerlei Neigung, Pässe zu überprüfen oder die Identität der Passagiere festzustellen.
    »Dokumente? Wozu denn! Sie sind im Paradies der Freiheit angekommen. Gestempeltes Papier gibt’s hier nicht«, verkündete er.
    Die Frauen dagegen interessierten ihn lebhaft. Er prahlte damit, der erste zu sein, der sie alle durchprobierte, jede einzelne, die in San Francisco an Land ging, leider seien es nicht so viele, wie er gewünscht hätte. Er erzählte, als die ersten Frauen hier in der Stadt auftauchten, das war schon mehrere Monate her, da wurden sie von einer Unmenge wild begeisterter Männer empfangen, die stundenlang Schlange standen, bis sie drankamen, und in Gold bezahlten - Gold als Staub, in Nuggets, als Münzen oder sogar in Barren. Das waren zwei beherzte Yankeemädchen gewesen, die von Boston über die Landenge von Panama bis zum Pazifik gereist waren. Sie versteigerten ihre Dienste an

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