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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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und abgehärtet waren durch Mühsal und Mangel, waren gerührt von diesem so zart aussehenden chinesi– schen Jungen und staunten, daß er Spanisch sprach wie eine von ihnen. Sie vertrauten Eliza bereitwillig die Geheimnisse der Natur an, die seit Jahrhunderten genutzt wurden, um verschiedenerlei Krankheiten zu lindern, und verrieten ihr nebenbei die Rezepte ihrer schmackhaften Gerichte, die sie in ihre Hefte eintrug, weil sie sicher war, daß sie ihr früher oder später von Wert sein würden. Inzwischen bestellte der zhong yi in San Francisco westliche Medikamente, deren Anwendung sein Freund Ebanizer Hobbs ihn in Hongkong gelehrt hatte. Außerdem säuberte er ein Stück Erdreich neben seiner Hütte, zäunte es ein, um es vor Wild zu schützen, und pflanzte darin die für seinen Beruf unentbehrlichsten Kräuter.
    »Lieber Himmel, Tao! Willst du etwa hierbleiben, bis dieses kümmerliche Grünzeug zu gebrauchen ist?« rief Eliza empört aus, als sie die kraftlosen Stengel und gelben Blätter sah, ohne mehr als eine vage Handbewegung zur Antwort zu erhalten.
    Sie hatte das Gefühl, daß jeder Tag, der verrann, sie weiter von ihrem Ziel entfernte, daß Joaquín Andieta immer tiefer eindrang in jenes unbekannte Gebiet, vielleicht auf die Berge zu, während sie in Sacramento ihre Zeit vertat und den schwachsinnigen Bruder eines chinesischen Heilers spielte. Sie überschüttete Tao mit den schlimmsten Ausdrücken, war aber klug genug, es auf spanisch zu tun, weil ihm da solcherlei Finessen doch noch nicht geläufig waren, und wenn er Kantonesisch mit ihr redete, hatte das bestimmt den gleichen Grund. Sie hatten die Zeichensprache, mit der sie sich in Gegenwart anderer verständigten, zur Vollkommenheit entwickelt, und vom vielen Zusammensein glichen sie sich allmählich so sehr, daß niemand an ihrer Verwandtschaft zweifelte.
    Wenn sie nicht mit einem Patienten beschäftigt waren, gingen sie durch den Hafen und die Läden, schlossen Bekanntschaften und fragten nach Joaquín Andieta. Eliza kochte, und bald gewöhnte sich Tao an ihre Gerichte, wenn er auch von Zeit zu Zeit zu den chinesischen Speiselokalen der Stadt ausriß, wo er schlingen konnte, soviel der Magen aufnahm, und das für zwei Dollar, eine lächerliche Summe, wenn man bedachte, daß schon eine Zwiebel einen Dollar kostete. Vor anderen verständigten sie sich durch Gesten, aber wenn sie allem waren, sprachen sie Englisch miteinander. Trotz der gelegentlichen zweisprachigen Beschimpfungen arbeiteten sie die meiste Zeit Seite an Seite wie gute Kameraden und fanden immer wieder Gelegenheit zum Lachen. Tao war oft erstaunt, wie gut er mit Eliza Fröhlichkeit und gute Laune teilen konnte, auch wenn hin und wieder Schwierigkeiten auftraten, seien sie nun sprachlich oder durch die Verschiedenheiten zweier Kulturen bedingt. Dabei waren es gerade diese Schwierigkeiten, die ihn oft zu schallendem Gelächter reizten: er konnte es nicht glauben, daß eine Frau solche unglaublichen Dinge tat und sagte. Er beobachtete sie neugierig und mit uneingestan– dener Zärtlichkeit; oft genug verstummte er vor Bewun– derung und schrieb ihr die Tapferkeit eines Kriegers zu, aber wenn er sie verzagen sah, erschien sie ihm wie ein Kind, und ihn überkam der Wunsch, sie zu beschützen.
    Obwohl sie ein wenig zugenommen und eine bessere Farbe bekommen hatte, war sie offensichtlich noch recht schwach. Sobald die Sonne untergegangen war, wurde sie müde, wickelte sich in ihre Decke und schlief ein; er legte sich neben sie. Sie gewöhnten sich so sehr an diese Stunden der Vertrautheit, in denen ihr Atem im gleichen Takt ging, daß ihre Körper sich ganz von selbst anpaßten, und wenn der eine sich umdrehte, tat es der andere auch. Bisweilen erwachten sie in den Decken verheddert und liebevoll umarmt. Wenn er als erster aufwachte, genoß er diese Augenblicke, die ihn an die glücklichen Stunden mit Lin erinnerten, und lag unbeweglich, damit sie sein Verlangen nicht bemerkte. Er ahnte nicht, daß Eliza das gleiche tat, dankbar für die Gegenwart des Mannes, die ihr erlaubte, sich ihr Leben mit Joaquín vorzustellen, wenn sie mehr Glück gehabt hätten. Keiner der beiden erwähnte je, was in den Nächten vor sich ging, als gehörte das zu einem nebenher verlaufenden Leben, von dem sie nichts wußten. Kaum hatten sie sich angezogen, verschwand der heimliche Zauber dieser Umarmungen völlig, und sie waren wieder zwei Geschwister. Manchmal, eher selten, ging Tao Chi’en allein zu

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