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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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den Halbstiefeln, den sie so lange aufbewahrt hatte, zurücklassen mußte. Aus ihrer Wolldecke stichelte sie sich eine Montur zusammen, wie sie sie in Chile bei ihren Ausflügen aufs Land so oft gesehen hatte; sie zog Tao Chi’ens Sachen aus, die sie monatelang getragen hatte, und probierte die neuerworbenen an.
    Dann schärfte sie das Messer an einem Lederstreifen und schnitt sich das Haar bis zum Nacken ab. Ihr langer schwarzer Zopf lag auf dem Boden wie eine tote Schlange. Sie betrachtete sich in einer Spiegelscherbe und war zufrieden: mit schmutzigem Gesicht und die Augenbrauen mit einem Stück Kohle nachgezogen würde die Täuschung perfekt sein. In diesem Augenblick kam Tao Chi’en von einer seiner Abendunterhaltungen mit dem anderen zhong yi zurück und erkannte im ersten Augenblick diesen bewaffneten Cowboy nicht, der da in seine Hütte eingedrungen war.
    »Morgen gehe ich, Tao. Dank für alles, du bist mehr als ein Freund, du bist mein Bruder. Du wirst mir sehr fehlen …«
    Tao Chi’en erwiderte nichts. Als die Nacht kam, legte sie sich angekleidet in eine Ecke, und er setzte sich draußen in die sommerliche Brise und zählte die Sterne.

Das Geheimnis
    An dem Nachmittag, an dem Eliza im Bauch der »Emilia« Valparaíso verließ, aßen die drei Geschwister Sommers im Hotel Inglés zu Abend als Gäste Paulinas, der Frau von Feliciano Rodríguez de Santa Cruz, und kehrten erst spät in ihr Haus auf dem Cerro Alegre zurück.
    Daß das Mädchen verschwunden war, erfuhren sie erst eine Woche später, weil sie sie, von Mama Fresia begleitet, auf der Hazienda von Agustín del Valle glaubten.
    Am folgenden Tag unterschrieb John Sommers seinen Vertrag als Kapitän der »Fortuna«, Paulinas nagelneuem Dampfschiff. Ein einfaches Dokument mit den einzelnen Abmachungen bildete den Vertrag. Ihnen beiden hatte eine erste Begegnung genügt, um Vertrauen zueinander zu fassen, und sie hatten nicht die Zeit, sie mit juristischen Lappalien zu vergeuden, das wütende Bestreben, nach Kalifornien zu gelangen, ging allem andern vor. Ganz Chile war in den gleichen Wahn verstrickt, soviel auch die Zeitungen zur Vernunft aufriefen und von den Kanzeln der Kirchen die Apokalypse beschworen wurde. Der Kapitän benötigte nur wenige Stunden, um seinen Dampfer zu bemannen, die langen Reihen der in der Goldseuche fiebernden Bewerber wälzten sich über die Kais. Viele verbrachten dort auf dem Boden schlafend die Nacht, um ihren Platz in der Schlange nicht zu verlieren. Zur Verblüffung anderer Kapitäne, die sich seine Gründe dafür nicht vorstellen konnten, weigerte John Sommers sich, Passagiere mitzunehmen, wodurch sein Schiff praktisch leer fuhr. Er gab keine Erklärungen ab. Er hatte einen Seeräuberplan entworfen, mit dem er zu verhindern gedachte, daß seine Matrosen in San Francisco deser– tierten, aber den hielt er geheim, denn wäre der ruchbar geworden, hätte er nicht einen auf sein Schiff gekriegt. Er teilte der Mannschaft auch nicht mit, daß sie, bevor sie Kurs nach Norden aufnahmen, einen ungewöhnlichen Umweg gen Süden machen würden, damit wartete er ab, bis sie auf dem offenen Meer waren.
    »Sie fühlen sich also fähig, mein Dampfschiff zu führen und die Mannschaft unter Kontrolle zu halten, so ist es doch, nicht wahr, Kapitän?« hatte Paulina ihn noch einmal gefragt, als sie ihm den Vertrag zur Unterschrift reichte.
    »Jawohl, Señora, deswegen brauchen Sie keine Angst zu haben. Ich kann in drei Tagen in See stechen.«
    »Sehr gut. Wissen Sie, woran es in Kalifornien fehlt? An frischen Lebensmitteln: Früchte, Gemüse, Eier, guter Käse, Wurstwaren. Das werden wir dort verkaufen.«
    »Wie denn? Alles wird verdorben ankommen…«
    »Wir werden es in Eis packen«, sagte sie milde.
    »In was?«
    »In Eis. Sie dampfen zuerst nach Süden, um Eis zu holen. Wissen Sie, wo die Lagune San Rafael liegt?«
    »Nahe bei Puerto Aisén.«
    »Ich freue mich, daß Sie diese Gegend kennen. Man hat mir erzählt, da gebe es einen wunderschönen blauen Gletscher. Ich möchte, daß Sie mir die ›Fortuna‹ mit Eisbrocken füllen. Wie finden Sie das?«
    »Verzeihen Sie, Señora, aber das finde ich wahnsinnig.«
    »Genau. Deshalb ist es auch noch niemandem eingefallen. Nehmen Sie Fässer voll grobem Salz mit, einen guten Vorrat an Säcken, und packen Sie schön große Brocken ein! Ach ja, ich denke, Sie werden Ihre Männer warm anziehen müssen, damit sie nicht erfrieren. Und, Kapitän, tun Sie mir den Gefallen, dies mit niemandem zu

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