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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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irgendwelchen nächtlichen Unternehmungen aus, von denen er still und verstohlen heimkehrte. Eliza versagte es sich, zu fragen, weil sie es riechen konnte: er war bei einer Frau gewesen, sie konnte sogar die süßlichen Parfüms der Mexikanerinnen erken– nen. Sie vergrub sich, während er fort war, unter ihrer Decke, zitterte in der Dunkelheit, erschrak beim kleinsten Geräusch, umklammerte voller Angst ein Messer und rief in Gedanken nach ihm. Sie konnte sich diesen Wunsch, zu weinen, nicht recht erklären, der sie übermannte, als wäre sie verraten worden. Sie ahnte dunkel, daß es bei Männern vielleicht anders war als bei Frauen; sie selbst fühlte kein Bedürfnis nach Sex. Die keuschen nächtlichen Umarmun– gen genügten ihr, um die Sehnsucht nach Zusammensein und Zärtlichkeit zu befriedigen, aber nicht einmal wenn sie an ihren verschollenen Geliebten dachte, empfand sie die Sehnsucht jener Nächte im Zimmer der Schränke. Sie wußte nicht, ob in ihr Liebe und Verlangen ein und dasselbe waren und ob, wenn das erste fehlte, das zweite ganz natürlich nicht aufkam oder ob die lange Krankheit auf dem Schiff etwas Wesentliches in ihrem Körper zerstört hatte. Einmal getraute sie sich, Tao zu fragen, ob sie wohl noch Kinder bekommen könne, weil sie noch immer ihre Regel nicht wieder gehabt habe, und er hatte ihr versichert, wenn sie nur erst Kraft und Gesundheit zurückgewonnen hätte, würde alles wieder normal verlaufen, deshalb setze er ihr ja regelmäßig seine Akupunkturnadeln.
    Wenn ihr Freund sich nach seinen Eskapaden behutsam an ihre Seite schob, täuschte sie tiefen Schlaf vor, obwohl sie noch stundenlang wach lag, gekränkt über den Geruch einer anderen Frau zwischen ihnen beiden. Seit sie in San Francisco an Land gegangen waren, war sie zu der Scheu zurückgekehrt, zu der Miss Rose sie erzogen hatte. Tao Chi’en hatte sie nackt gesehen während der langen Seefahrt und kannte sie innen und außen, aber er erriet, was in ihr vorging, und stellte auch keine Fragen außer nach ihrem Befinden. Auch wenn er ihr die Nadeln setzte, gab er acht, ihr Schamgefühl nicht zu verletzen. Sie zogen sich nicht in Gegenwart des andern aus und hielten ein stillschweigendes Abkommen ein, den vertraulichen Bereich der Grube zu respektieren, die ihnen hinter der Hütte als Abtritt diente, aber alles übrige wurde geteilt, vom Geld bis zur Kleidung. Viele Jahre später, als Eliza die Aufzeichnungen in ihrem Tagebuch durchsah, die aus dieser Zeit stammten, fragte sie sich verwundert, weshalb keiner von ihnen beiden die unleugbare Anziehung erkannt und zugegeben hatte, die sie füreinander empfanden, weshalb sie sich in den Vorwand des Schlafes geflüchtet hatten, um einander zu berühren, und tagsüber Kühle vortäuschten. Sie kam zu dem Schluß, daß die Liebe zu einem Menschen von anderer Rasse ihnen unmöglich erschienen war, sie hatten geglaubt, es gebe auf der Welt keinen Ort für ein Paar, wie sie es waren.
    »Du hast nur an deinen Liebsten gedacht«, erklärte ihr Tao Chi’en, dessen Haar inzwischen grau geworden war.
    »Und du an Lin.«
    »In China kann man mehrere Frauen haben, und Lin war immer tolerant.«
    »Dich haben auch meine großen Füße abgestoßen«, sagte sie lachend.
    »Natürlich«, erwiderte er mit der größten Ernsthaftigkeit.
    Im Juni brach ein gnadenloser Sommer an, die Fliegen waren plötzlich überall, die Schlangen kamen aus ihren Schlupflöchern und spazierten straflos über Weg und Steg, und Tao Chi’ens Pflanzen trieben so kräftig wie in China. Die Argonautenhorden trafen immer schneller und immer zahlreicher ein. Da Sacramento der Anlaufhafen war, teilte es nicht das Schicksal anderer Dörfer, die rund um die Goldlager wie die Pilze aus dem Boden schossen, eine Zeltlang prächtig gediehen und rasch wieder verschwan– den, sobald das leicht gewonnene Gold versiegte. Die Stadt Sacramento wuchs in Minutenschnelle, neue Waren– häuser wurden eröffnet, und der Boden wurde nicht mehr verschenkt wie zu Anfang, sondern genauso teuer verkauft wie in San Francisco. Es gab sogar den Ansatz einer Verwaltung und häufige Versammlungen, in denen über Belange der Allgemeinheit entschieden wurde. Spekulan– ten, Winkeladvokaten, Evangelisten, Berufsspieler, Ban– diten tauchten auf sowie Madames mit ihren Mädchen und andere Herolde des Fortschritts und der Zivilisation. Hunderte von Hoffnung und Ehrgeiz glühende Männer brachen von hier aus auf zu den Goldminen, und andere kamen

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