Fotostudio Plange I (German Edition)
Eine eigene Küche und ein eigenes Bad brauchst du ja wohl nicht,
oder?“
„Nein! Aber wohin willst du dann mit den
Geschäftsunterlagen? Die brauchen doch auch Ihren Platz.“ Er blickte mich
fragend an.
„Stimmt zwar, aber das Lager neben dem Studio ist eh viel
zu groß und steht halb leer. Da könnte man ohne Weiteres ein Büro einrichten,
man müsste nur zwei Wände einziehen und ein paar Kabel verlegen. Also nichts,
was geschickte Hände nicht erledigen könnten!“
„Klingt nicht schlecht, aber der Aufwand! Und die
Kosten!“
„So groß ist der Aufwand nun auch wieder nicht. Außerdem
brauch ich dringend noch was für die Steuer als Betriebsausgaben, das Jahr ist
ziemlich gut gelaufen. Ich sollte daher meinen Gewinn schmälern, sagt auf jeden
Fall meine Steuerberaterin und die muss es eigentlich wissen.“ Ich grinste ihn
an.
„Das würdest du für mich machen?“ Er blickte mich
liebevoll an. Anstelle einer Antwort küsste ich ihn nur. Es würden zwar noch
einige Schwierigkeiten auf uns zu kommen, die mit seinem Einzug bei mir, einem
Mann, verbunden waren, aber Probleme sind dazu da, gelöst zu werden. Diesen
Moment des Glückes wollte ich nicht trüben! Was würden sein Bruder und
besonders seine Eltern davon halten, wenn er sich offiziell outen würde? Ihn
verstehen oder ihn ausstoßen? Nichts anderes als ein Outing würde seinen Einzug
bei mir bedeuten.
Um kurz vor Sieben fuhren Marvin und ich in das
altehrwürdige Sportkasino des Allgemeinen Sport- und Turnvereins in der
Jägerallee zur Jahreshauptversammlung der Wasserballabteilung. Igor war schon
am Nachmittag gefahren. Bei der Einlasskontrolle gab es leichte
Schwierigkeiten, ich persönlich war ja kein Mitglied, sondern hatte nur nur als
Erziehungsberechtigter von Marvin ein Recht auf Anwesenheit.
Aber Clemens Münster sagte der Dame am Eingang, einer
ältlich wirkenden Matrone, wohl ein paar passende Worte. Ich bekam wortlos
neben den Stimmkarten einen entschuldigenden Blick von der Dame mit der
übergroßen Brille und der blau schimmernden Frisur.
Mein erster Weg führte mich zum Verkaufsstand der
Wasserballjugend. Der Kalender fand, wie nicht anders zu erwarten, großen
Absatz. Benny, der Torwart, meinte zu mir, sie würden jetzt nur noch
Bestellungen annehmen, die erste Auflage wäre bereits restlos ausverkauft. Man
müsse wohl noch mal dreihundert Exemplare nachdrucken. Ich solle mich besser
schon einmal nach den Preisen für die Neuauflage erkundigen.
Wie bei solchen Versammlungen üblich, zogen sich die
Formalien wie Kaugummi. Es folgten die Berichte des Vorstandes und der Obleute
der einzelnen Gruppierungen der Wasserballabteilung. Nach dem Bericht der
Kassenprüfer erfolgte ohne große Aussprache die Entlastung der bisherigen
Amtsinhaber und man schritt zu den Neuwahlen, die etwas turbulent verliefen.
Anstelle des vom Vorsitzenden vorgeschlagenen Stellvertreters wurde in einer
Kampfabstimmung Clemens Münster zum Vizeabteilungsleiter gewählt.
Dann erfolgten die Ehrungen treuer Vereinsmitglieder
durch den alten und neuen Vorsitzenden. Die Versammlung neigte sich ihrem Ende
entgegen. Ich wollte schon die Bedienung rufen, um unsere Rechnung zu bezahlen,
als ich meinen Namen hörte und auf die Bühne gebeten wurde. Ich betrat leicht
verwundert das Podium und stellte mich neben den grauhaarigen Endsechziger, der
alles andere als agil und zukunftsorientiert aussah.
Über alte Funktionäre im Sport, die eher hinderlich sind,
kann man ja ganze Bücher schreiben und dieser Mann würde sicherlich Bände
füllen. Ich fühlte mich neben ihm unwohl. Was sollte das Ganze? Was wollte man
von mir?
„Ah, da ist er ja. Her Plange, der Gesamtvorstand der
Wasserballabteilung hat sich aus seiner letzten Sitzung einmütig dafür
ausgesprochen, ihnen für ihren selbstlosen Einsatz für den Auftritt der
Abteilung Wasserball des Allgemeinen Sport- und Turnvereins unserer Stadt in
der Öffentlichkeit, besonders im Medium Internet, und für die Förderung der
Jugendarbeit im Besonderen ihnen die Ehrennadel der Abteilung zu verleihen.“
Seine Rede wirkte gestellt und gekünstelt.
Er kam auf mich zu, schüttelte mir die Hand und steckte
mir eine silberne Nadel eines Revers. Ein erneutes Händeschütteln erfolgte.
Ich war mehr als überrascht, damit hatte ich nicht
gerechnet. Clemens hatte auch kein Wort verlauten lassen, ich würde ihn gleich
noch einmal gesondert interviewen müssen, diesen Schuft.
Weitere Kostenlose Bücher