Foules Spiel: Ein Nürnberger Fußballkrimi (German Edition)
Cramer, aber der nickte nur.
»Er hatte mehrmals täglich im Krankenhaus angerufen, um sich nach Harry Mägerleins Zustand zu erkundigen. In den ersten Tagen rief er immer von verschiedenen Telefonzellen aus an, doch später wurde er nachlässiger und benutzte sein Handy. Wir wollten ihn eigentlich nur fragen, warum er so besorgt ist um den jungen Fußballer, doch dann sagte uns seine Firma, dass er seit zwei Wochen, also seit dem Unfall, nicht mehr zur Arbeit erschienen war.« Er schüttelte den Kopf. »Es war eigentlich nur eine von vielen möglichen Spuren«, sagte er. »Aber wir dachten, wer in einem Pharmakonzern arbeitet, kommt leicht an Stoffe, mit denen man eine Bombe herstellen kann. Wir hatten ihn eher als Zeugen im Visier, nicht als Verdächtigen.«
»Und die Wohnungsdurchsuchung?«, fragte Charlotte.
Wallner warf ihr einen überraschten Blick durch den Rückspiegel zu. Sie lächelte verlegen. »Ich war da«, sagte sie. »Habe mich sozusagen reingeschmuggelt. Als ich dort hörte, dass er womöglich der Gesuchte ist, hat mein Verstand abgeschaltet.«
Wallner sah aus den Augenwinkeln heraus, dass Cramer schmunzelte. Er würde doch nicht etwa Gefallen an Charlotte Braun finden?
»Tut mir leid«, sagte sie erneut. »Ich war einfach panisch, weil Patrick verschwunden ist.« Sie schaute zum Fenster hinaus, fügte leise hinzu: »Ich bin es immer noch.«
»Wir finden ihn«, sagte Cramer zu Wallners Überraschung. »Wenn Hasselbacher ihn hat sowieso.«
Wallner fuhr über die Schlotfegergasse in die Tiefgarage und parkte den Wagen. Schweigsam fuhren sie mit dem Lift nach oben.
»Warte einen Moment hier«, sagte er zu Charlotte und zog Cramer mit sich. »Können wir den Videoraum nehmen? Dann kann sie zuhören und zusehen.«
»Spinnst du?«, fuhr Leo ihn an. »Weißt du, was das kostet?«
Wallner schaute ihn nur ernst an.
»Meinetwegen«, brummte Leo. »Aber wenn’s Ärger gibt, nimmst du das auf deine Kappe.«
»Mach ich«, erwiderte Wallner und rief Miriam an, um ihr zu sagen, wo sie die Vernehmung durchführen würden. Dann lief er zu Charlotte zurück. Er führte sie in den Nebenraum, wo sie das Verhör verfolgen konnte. »Du kennst das ja«, sagte er und warf einen Blick durch den Spiegel.
Schweigend warteten sie, bis Georg Hasselbacher hereingebracht wurde. Er setzte sich an den Tisch, als ginge ihn das alles gar nichts an.
»Na dann«, sagte Wallner und ließ Charlotte allein. »Du oder ich?«, wollte er draußen von Cramer wissen.
»Fang du mal an«, sagte Leo. »Ich fahr ihm sonst gleich an die Gurgel. Ich bin bei deiner Freundin.« Sein Sarkasmus war nicht zu überhören.
Wallner biss sich auf die Lippen und betrat den Verhörraum; er nahm Hasselbacher gegenüber Platz und schaltete die Kamera, den PC und das Aufnahmegerät ein. Dann wandte er sich an den Verdächtigen. »Nennen Sie bitte Ihren vollen Namen und Ihr Geburtsdatum.«
Hasselbacher schien ihn nicht zu hören. Er stierte mit glasigen Augen in eine Ecke. Wallner wiederholte die Aufforderung dreimal, bevor Leo ihm via PC signalisierte, dass es genug sei.
»Ihr Name ist Georg Hasselbacher, Sie wurden am 3. Januar 1954 in Lauf an der Pegnitz geboren. Ist das korrekt?«
Er war sich nicht sicher, ob Hasselbacher ihn gehört oder gar verstanden hatte, aber er wackelte mit dem Kopf, was als Ja gewertet werden konnte. Wallner verzog das Gesicht. Das konnte ja heiter werden! Er dachte an Charlotte, die auf eine Antwort bezüglich ihres Sohnes wartete.
»Kennen Sie Patrick Braun?«, stellte er die erste Frage.
Hasselbacher reagierte nicht.
»Kennen Sie Patrick Braun?«, wiederholte Wallner.
»Guter Junge, manchmal etwas frech«, murmelte Hasselbacher.
»Wo ist der Junge? Was haben Sie mit ihm gemacht?«
Hasselbacher richtete den Blick auf ihn, sagte mit weinerlicher Stimme: »Ich wollte das nicht. Ich wollte ihm nicht weh tun. Es war doch alles nur ein Versehen.«
Wallner stockte der Atem. Was sollte das bedeuten? Es war doch keine so gute Idee gewesen, Charlotte zuhören zu lassen.
»Was haben Sie mit Patrick Braun gemacht?«, sagte er eindringlich.
Hasselbacher schüttelte nur den Kopf.
»Herr Hasselbacher, helfen Sie uns und helfen Sie sich«, donnerte Wallner. »Wo ist Patrick Braun?«
»Weiß nicht«, wimmerte Hasselbacher und sackte in sich zusammen.
Wallner wagte nicht, zum verspiegelten Fenster zu schauen. Schon klar, er hatte zu verantworten, dass die Mutter eines verschwundenen Kindes das mit anhören musste.
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