Foundation 02: Die Stahlhöhlen
Diätassistentin schließlich wissen
mußte, hatte das Baley einmal erklärt.
»Es bringt alles völlig durcheinander«, hatte sie
gesagt. »Das bringt die Verbrauchszahlen und die
Lagerkalkulationen durcheinander. Es bedeutet spezielle
Prüfungen. Man muß die Abrechnungen mit all den
verschiedenen Sektionsküchen abstimmen, um sicherzugehen,
daß das Gleichgewicht nicht zu sehr gestört wird, wenn du
weißt, was ich damit meine. Jede einzelne Küche muß
pro Woche einmal abrechnen. Und wenn dann irgend etwas nicht stimmt
und man überzogen hat, dann bist du dran. Es ist nie die Schuld
der City-Regierung, weil sie jedem und seiner kleinen Schwester
Sondertickets gibt. O nein. Und wenn wir sagen müssen, daß
für eine bestimmte Mahlzeit die freie Wahl aufgehoben ist, dann
kannst du dir ja vorstellen, was für ein Theater die Leute
draußen in der Schlange machen. Die armen Teufel hinter der
Theke sind immer an allem schuld…«
Baley hatte sich die Geschichte in allen Einzelheiten
angehört und hatte daher volles Verständnis für den
trockenen, giftigen Blick, mit dem ihn die Frau hinter dem Fenster
bedachte. Sie machte sich ein paar hastige Notizen. Heimatsektion,
Beruf, Grund für die Auswärtsmahlzeit
(›dienstlich‹ – ein ungemein irritierender Grund, aber
unwiderlegbar). Dann faltete sie das Blatt mit sehr energischen
Bewegungen zusammen und schob es in einen Schlitz. Ein Computer
schnappte es sich und verdaute seinen Inhalt.
Sie wandte sich R. Daneel zu.
Jetzt kam es noch schlimmer. »Mein Freund ist von
auswärts, Außer-City«, erklärte Baley.
Jetzt schien die Empörung der Frau vollkommen.
»Heimat-City, bitte«, stieß sie hervor.
Wieder fing Baley für Daneel den Ball auf. »Alles ist
der Polizeiverwaltung zu belasten. Keine Einzelheiten.
Dienstlich.«
Die Frau holte sich mit einer ruckartigen Bewegung einen Block und
machte mit geübten Bewegungen die notwendigen Eintragungen in
Schwarzlicht-Code.
»Wie lange werden Sie hier essen?« fragte sie.
»Bis auf weiteres«, sagte Baley.
»Bitte, hier Ihren Fingerabdruck«, sagte sie und drehte
das Formular um.
Baley war einen Augenblick lang beunruhigt, als R. Daneel seine
gleichmäßigen Finger mit ihren glänzenden Nägeln
auf das Papier drückte. Die Spacer hatten doch hoffentlich nicht
vergessen, ihn mit Fingerabdrücken auszustatten.
Die Frau nahm das Formular und schob es in die unersättliche
Maschine, die neben ihrem Ellbogen stand. Sie spuckte nichts wieder
aus, und Baleys Atem ging wieder leichter.
Jetzt gab sie ihnen kleine hellrote Metallstreifen, die
provisorisch bedeuteten.
»Keine freie Wahl«, sagte sie. »Wir sind diese
Woche knapp. Nehmen Sie Tisch DF.«
Sie gingen zu DF hinüber.
R. Daneel sagte: »Ich habe den Eindruck, daß die
meisten Leute hier regelmäßig in solchen Küchen
essen.«
»Ja. Es ist natürlich ziemlich unangenehm, in einer
fremden Küche essen zu müssen. Man kennt dort keinen. Wenn
man in seiner eigenen Küche ißt, ist das völlig
anders. Man hat dort seinen Stammplatz. Man ist mit seiner Familie,
seinen Freunden zusammen. Besonders wenn man jung ist, sind die
Mahlzeiten der Höhepunkt des Tages.« Baley lächelte
bei der Erinnerung an seine eigene Jugend.
Tisch DF gehörte offenbar zu denjenigen, die für
Besucher reserviert waren. Die bereits am Tisch Sitzenden blickten
mißmutig auf ihre Teller und redeten nicht. Hin und wieder
warfen sie verstohlen neidische Blicke auf die munteren
Grüppchen an anderen Tischen.
Niemand fühlt sich so unbehaglich, dachte Baley, wie jemand,
der außerhalb seiner Sektion essen muß. Und selbst wenn
alles das noch so einfach ist: Nichts ist so wie die eigene
Küche, hieß es in einem alten Sprichwort. Selbst das Essen
schmeckt besser, und wenn noch so viele Chemiker ein Dutzend heilige
Eide darauf leisteten, daß es um kein Jota anders schmeckte als
das Essen in Johannesburg.
Er nahm auf einem Hocker Platz, und R. Daneel setzte sich neben
ihn.
»Keine freie Wahl«, sagte Baley mit einer wegwerfenden
Handbewegung. »Legen Sie also einfach den Schalter dort um und
warten Sie.«
Es dauerte zwei Minuten. In der Tischplatte schob sich eine
Scheibe zur Seite, und eine Schüssel kam zum Vorschein.
»Kartoffelpüree, Synthokalbsoße und gekochte
Aprikosen. Na schön«, sagte Baley.
In einer Vertiefung vor dem niedrigen Geländer, das den Tisch
in zwei Längshälften teilte, erschienen eine Gabel und zwei
Scheiben Vollhefebrot.
R. Daneel sagte mit leiser Stimme:
Weitere Kostenlose Bücher