Foundation 02: Die Stahlhöhlen
ihrer Art konservativer waren,
bestanden auf echten Körnern.)
Die Sperlinge stürzten sich, wie es schien, zu Hunderten
herab. Flügel an Flügel, mit ohrenbetäubendem
Lärm säumten sie den Trog.
Das war es – das war das Bild, das sich Baley
aufdrängte, als er in die Küche zurückblickte, die er
gerade zu verlassen im Begriff war. Sperlinge am Trog. Der Gedanke
stieß ihn ab.
Und dann dachte er: Jehoshaphat, man muß das doch auch
besser machen können.
Aber wie? Was war denn eigentlich falsch an der Art und Weise, wie
es hier geschah? Früher hatte es ihn nie gestört.
Abrupt sagte er zu R. Daneel: »Fertig, Daneel?«
»Ich bin fertig, Elijah.«
Sie verließen die Küche, und es lag jetzt klar und
eindeutig bei Baley, ihre Flucht zu bewerkstelligen.
Es gibt ein Spiel, das die jungen Leute Streifenlaufen nennen.
Seine Regeln sind von City zu City anders, aber in den wesentlichen
Punkten ist das Spiel überall dasselbe. Ein Junge aus San
Francisco hat nicht die geringsten Schwierigkeiten, in Kairo
mitzuspielen.
Das Ziel besteht darin, über das Schnellverkehrssystem der
City von Punkt A so nach Punkt B zu gelangen, daß der
›Führer‹ dabei soviel wie möglich von seinen
Verfolgern ›abhängt‹. Ein Führer, der ganz allein
am Bestimmungsort ankommt, erntet ebensoviel Lob wie ein Verfolger,
der sich nicht abschütteln läßt.
Gewöhnlich spielt man das Spiel während der abendlichen
Hauptverkehrszeit, wo es die besondere Verkehrsdichte gleichzeitig
gefährlicher und auch komplizierter macht. Der Führer
beginnt das Spiel, indem er die Schneller-Streifen auf und ab
läuft. Er gibt sich die größte Mühe, das
Unerwartete zu tun, so lange wie möglich auf einem bestimmten
Streifen stehenzubleiben und dann plötzlich in der einen oder
anderen Richtung abzuspringen. Er läuft dann über einige
Streifen und wartet dann wieder.
Man kann den Verfolger nur bedauern, der so unvorsichtig ist,
einen Streifen zu weit zu fahren. Ehe er seinen Fehler bemerkt hat,
hat er, wenn er nicht ungewöhnlich geschickt ist, bereits den
Führer überholt oder ist weit zurückgefallen. Ein
geschickter Führer wird die Auswirkungen des Fehlers dadurch
noch verstärken, daß er sich schnell in der
eingeschlagenen Richtung weiterbewegt.
Ein Spielzug, der dazu bestimmt ist, die Aufgabe um das Zehnfache
komplizierter zu machen, schließt die Benutzung der Localways
oder der Expreßways ein, bei denen auf beiden Seiten
abgesprungen werden kann. Es gilt als unfair, sie überhaupt
nicht zu benutzen, ebenso aber auch, sich zu lange auf ihnen
aufzuhalten.
Erwachsenen fällt es schwer, den Reiz des Spiels zu
begreifen, ganz besonders einem Erwachsenen, der als Teenager nicht
selbst Streifenläufer gewesen ist. Von den regulären
Reisenden werden die Spieler, denen sie dauernd in den Weg laufen,
ziemlich unsanft behandelt. Die Polizei verfolgt sie erbittert, und
von ihren Eltern haben sie Bestrafung zu erwarten. Man beklagt sich
auf den Schulen und am Subäther über sie. Kein Jahr
verstreicht, in dem nicht vier oder fünf Teenager bei dem Spiel
ums Leben kommen, Dutzende verletzt werden und unschuldige Passanten
zu Schaden kommen.
Und doch ist keine Macht der Welt fähig, die
Streifenläufer-Banden von ihrem Sport abzuhalten. Je
größer die Gefahr, desto größer auch der
Wertvollste aller Preise, nämlich Ehre in den Augen ihrer
Mitspieler.
Elijah Baley erinnerte sich beispielsweise voll Befriedigung
selbst heute noch daran, daß er einmal Streifenmeister gewesen
war. Er hatte eine Gruppe von zwanzig Verfolgern vom Concourse-Sektor
bis an die Grenzen von Queens geführt und dabei drei
Expreßways überquert. Zwei Stunden lang hatte er ohne Rast
und Ruhe einige der geschicktesten Verfolger der Bronx
abgeschüttelt und war allein am Bestimmungsort eingetroffen.
Monatelang hatte man von seiner Tat geredet.
Jetzt war Baley freilich ein Mann um die Vierzig. Er war seit
über zwanzig Jahren nicht mehr streifengelaufen, erinnerte sich
aber noch an einige der Tricks. Und was ihm nun an Beweglichkeit
fehlte, konnte er in anderer Hinsicht wettmachen. Er war
Polizeibeamter. Niemand außer einem anderen Polizeibeamten, der
ebenso erfahren wie er selbst war, konnte die Stadt so gut kennen wie
er, kannte Anfang und Ende praktisch jeder Gasse wie seine
Hosentaschen.
Er entfernte sich mit schnellen Schritten von der Küche, aber
nicht zu schnell. Jeden Augenblick rechnete er damit, daß
hinter ihm der Ruf »Roboter, Roboter!«
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