Foundation 02: Die Stahlhöhlen
Er war absolut sicher, daß ihr Abschweifen, so interessant die Frage vielleicht für sie gewesen sein mochte, doch in erster Linie von dem Wunsch bestimmt war, eben dieser Frage auszuweichen.
Sie wandte sich wieder ihrem Getränk zu und meinte dann: »Da gibt es nicht viel zu sagen. Ich sah, daß er beschäftigt sein würde, und wußte das ohnehin, weil er immer irgend etwas zu tun hatte; also kümmerte ich mich wieder um meine eigene Arbeit. Und dann, vielleicht fünfzehn Minuten später, hörte ich einen Schrei.«
Sie verstummte, und eine kleine Pause trat ein, bis Baley sie bedrängte: »Was für ein Schrei?«
»Rikaine hat geschrien«, sagte sie. »Mein Mann. Einfach ein Schrei. Keine Worte. Ein Schrei, der Furcht verriet. Nein! – Überraschung, Schock – so etwas. Ich hatte ihn vorher nie schreien hören.«
Sie hob die Hände an die Ohren, als könnte sie damit die Erinnerung an den Schrei von sich drängen, und ihr Badetuch glitt ihr langsam auf die Hüften. Sie bemerkte es nicht. Baley blickte starr auf sein Notizbuch.
Nach einer Weile sagte er: »Was haben Sie getan?«
»Ich rannte los. Ich rannte einfach. Ich wußte nicht, wo er war…«
»Ich dachte, Sie sagten, er wäre in das Laboratorium gegangen, das er in Ihrem Wohnbereich unterhielt.«
»Das ist er auch, E… Elijah. Aber ich wußte nicht, wo das war. Nicht genau jedenfalls. Ich ging da nie hin. Es gehörte ihm. Ich hatte eine ungefähre Vorstellung von der Richtung. Ich wußte, daß es irgendwo im Westen war. Aber ich war so erregt, daß ich nicht einmal daran dachte, einen Roboter zu rufen. Einer von denen hätte mich leicht führen können, aber ungerufen kam natürlich keiner. Als ich hinkam – irgendwie fand ich es –, war er tot.«
Sie hielt plötzlich inne und beugte, was Baley ungemein unbehaglich war, den Kopf nach vorn und fing zu weinen an. Sie machte dabei nicht den geringsten Versuch, ihr Gesicht zu bedecken. Ihre Augen schlossen sich einfach, und die Tränen rannen ihr langsam über die Wangen. Es war völlig lautlos. Ihre Schultern zitterten kaum.
Dann schlug sie die Augen wieder auf und sah ihn durch die Tränen an. »Ich habe noch nie zuvor einen Toten gesehen. Er war völlig blutig, und sein Kopf war… einfach… völlig… Ich schaffte es schließlich, einen Roboter zu holen, und der rief weitere. Und dann haben die sich wahrscheinlich um mich und Rikaine gekümmert. Ich kann mich nicht erinnern. Wirklich, ich…«
»Was meinen Sie damit, daß die sich um Rikaine gekümmert haben?« fragte Baley.
»Sie haben ihn weggebracht und saubergemacht.« In ihrer Stimme war ein kleiner Keil von Indigniertheit – sie war jetzt die Dame des Hauses, die darüber wachte, daß alles in Ordnung war. »Schrecklich sah es aus.«
»Und was geschah mit der Leiche?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Verbrannt, nehme ich an. Wie es mit Leichen immer geschieht.«
»Sie haben nicht die Polizei gerufen?«
Sie sah ihn ausdruckslos an, und Baley dachte: Keine Polizei!
»Jemandem haben Sie es doch gesagt, nehme ich an«, meinte er. »Die Leute haben von der Sache erfahren.«
»Die Roboter haben einen Arzt gerufen«, erklärte sie. »Und ich mußte Rikaines Arbeitsplatz anrufen. Die Roboter dort mußten schließlich erfahren, daß er nicht wiederkommen würde.«
»Der Arzt war für Sie, vermute ich.«
Sie nickte. Jetzt schien sie zum ersten Mal zu bemerken, daß ihr das Badetuch auf die Hüften gerutscht war. Sie zog es hoch und murmelte wie aus weiter Ferne: »Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid.«
Baley empfand Unbehagen, sie so hilflos und zitternd dasitzen zu sehen, das Gesicht von all dem Schrecken verzerrt, der sich gleichzeitig mit der Erinnerung wieder eingestellt haben mußte.
Sie hatte noch nie zuvor eine Leiche gesehen. Noch nie zuvor Blut oder einen eingedrückten Schädel. Und selbst wenn die Mann-Frau-Beziehung auf Solaria etwas dünn und seicht war, so war es trotzdem ein menschliches Wesen, mit dem sie sich konfrontiert gesehen hatte.
Baley wußte nicht recht, was er jetzt sagen oder tun sollte. Irgend etwas drängte ihn, sich zu entschuldigen, doch tat er als Polizist schließlich nur seine Pflicht.
Aber auf dieser Welt gab es keine Polizei. Würde sie begreifen, daß dies seine Pflicht war?
Langsam und so sanft er das konnte, sagte er: »Gladia, haben Sie irgend etwas gehört? Irgend etwas außer dem Schrei Ihres Mannes?«
Sie blickte auf, und ihr Gesicht war so hübsch wie am Anfang,
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