Foundation 04: Das galaktische Imperium
Wie alt sind Sie?«
Gladia sah sie ruhig an und ertappte sich dabei, diese Konfrontation sogar zu begrüßen. (Wie war das möglich? Während der ersten drei Dekaden ihres Lebens hatte man sie sorgfältig dazu erzogen, die körperliche Gegenwart auch nur eines einzigen menschlichen Wesens als etwas Unerträgliches zu empfinden. Und jetzt – stellte sie staunend fest – stand sie Tausenden gegenüber, ohne zu zittern. Sie empfand Euphorie und war sehr mit sich zufrieden.)
»Bitte, bleiben Sie stehen, Madam!« sagte sie. »Wir wollen miteinander sprechen. Wie sollen wir das Alter messen? In den Jahren, die seit der Geburt verstrichen sind?«
Die Frau sagte gefaßt: »Ich heiße Sindra Lambid. Ich bin Angehörige der Legislatur und daher eine von Captain Baleys ›Gesetzesgebern‹ und ›geehrten Führern‹; ›geehrt‹ hoffe ich jedenfalls.« (Gelächter – die Zuhörer schienen immer heiterer zu werden.) »Um Ihre Frage zu beantworten, so glaube ich, daß gewöhnlich die Zahl an galaktischen Standardjahren, die seit der Geburt verstrichen sind, dazu benutzt wird, das Alter eines Menschen zu definieren. So betrachtet, bin ich vierundfünfzig Jahre alt. Wie alt sind Sie?
Wie wäre es, wenn Sie uns einfach eine Zahl angeben würden?«
»Das will ich tun. Seit meiner Geburt sind zweihundertfünfunddreißig galaktische Standardjahre gekommen und gegangen, so daß ich dreiundzwanzigeinhalb Dekaden oder etwas mehr als viermal so alt wie Sie bin.« Gladia stand aufrecht da und wußte, daß ihre kleine, schlanke Gestalt und die schwache Beleuchtung sie in diesem Augenblick außergewöhnlich kindhaft erscheinen ließen.
Aus dem Auditorium war verwirrtes Murmeln zu hören und links von ihr so etwas wie ein Stöhnen. Ein Blick in die Richtung zeigte ihr, daß D. G. sich mit der Hand an die Stirn griff.
Gladia fuhr fort: »Aber das ist eine durch und durch passive Art, verstrichene Zeit zu messen. Es ist ein Maß der Quantität, das die Qualität überhaupt nicht in Betracht zieht. Mein Leben ist ruhig verstrichen, man könnte sagen: langweilig. Ich habe mich durch eine festgelegte Routine treiben lassen, von einem reibungslos funktionierenden gesellschaftlichen System von allen unerfreulichen Ereignissen abgeschirmt – einem System, das weder Platz für Veränderungen noch für Experimente ließ; und in gleicher Weise abgeschirmt durch meine Roboter, die stets zwischen mir und jeglichem Mißgeschick standen.
Nur zweimal in meinem Leben habe ich den Atem der Erregung erlebt; und beide Male war das mit einer Tragödie verbunden. Als ich zweiunddreißig war, jünger an Jahren als die meisten von Ihnen, die mir jetzt zuhören, gab es eine Zeit – keine lange –, in der eine Mordanklage über mir schwebte. Zwei Jahre später gab es eine zweite Zeitperiode – nicht lang –, in der ich in eine weitere Mordsache verwickelt war. In beiden Fällen stand Detektiv Elijah Baley mir zur Seite. Ich glaube, die meisten von Ihnen, vielleicht sogar alle, sind mit der Geschichte vertraut, wie sie Elijah Baleys Sohn niedergeschrieben hat.
Ich sollte jetzt vielleicht ein drittes Mal erwähnen. Ich habe nämlich in diesem letzten Monat sehr viel Aufregung erlebt; eine Aufregung, die ihren Höhepunkt damit erreichte, daß man von mir verlangt hat, vor Sie alle hinzutreten – etwas, das sich völlig von allem anderen unterscheidet, was ich in meinem ganzen Leben getan habe. Und ich muß zugeben, daß mir das nur Ihre Freundlichkeit und Ihre liebenswürdige Aufnahme möglich macht.
Überlegen Sie einmal, Sie alle, in welchem Kontrast zu Ihrem eigenen Leben das steht. Sie sind Pioniere und leben auf einer Pionierwelt. Diese Welt ist während Ihres ganzen Lebens gewachsen und wird weiterhin wachsen. Diese Welt ist alles andere als festgelegt, und jeder Tag ist ein Abenteuer und muß eines sein. Selbst das Klima hier ist ein Abenteuer. Sie haben zuerst Kälte, dann Hitze, dann wieder Kälte. Es ist ein Klima, das reich an Wind und Stürmen und plötzlichen Änderungen ist. Sie können sich niemals zurücklehnen und die Zeit träge an sich vorbeistreichen lassen, in einer Welt, die sich sanft oder überhaupt nicht ändert.
Viele Einwohner von Baleys Welt sind Händler oder können den Beruf des Händlers ergreifen und die Hälfte ihrer Zeit draußen im Weltraum verbringen. Und wenn diese Welt hier je zahm werden sollte, dann können viele ihrer Bewohner sich dafür entscheiden, ihren eigenen Lebensbereich auf eine andere, weniger
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