Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
Mitternacht, und sie
hatten nur noch sechs Stunden.
Verstört und mutlos sah er sich um. Inzwischen war alles
versammelt – sogar der Statthalter war endlich eingetroffen.
Pola saß neben ihm. Er spürte ihre warmen Finger auf
seinem Handgelenk, und die Angst und die Erschöpfung in ihren
Zügen schürten mehr als alles andere seinen Groll gegen die
gesamte Galaxis.
Vielleicht hatten sie alle den Tod verdient, diese dummen…
dummen… dummen…
Shekt und Schwartz konnte er kaum sehen. Sie saßen links von
ihm. Und da war auch Balkis, der abscheuliche Balkis. Seine Lippen
waren immer noch verschwollen, eine Wange war grün und blau, das
Sprechen mußte ihm höllisch schwerfallen – Arvardans
Lippen verzogen sich – ebenfalls unter Schmerzen – zu einem
grimmigen Lächeln, und er ballte unwillkürlich die
Fäuste. Bei dem Gedanken tat sogar die Wunde unter dem Verband
nicht mehr so weh.
Sie alle blickten auf Ennius, der mit finsterer Miene und merklich
unsicher vor ihnen saß. Der Statthalter machte in seinem
schweren, formlosen Bleianzug eine ziemlich unglückliche
Figur.
Er war genauso dumm wie alle anderen. Wenn Arvardan an diese
galaktischen Opportunisten dachte, die nichts wollten als ihren
Frieden und ihre Bequemlichkeit, überschwemmte ihn eine Woge von
Haß. Wo waren die einstigen Eroberer geblieben? Was war in nur
dreihundert Jahren aus ihnen geworden…?
Noch sechs Stunden…
Etwa achtzehn Stunden zuvor hatte Ennius den Anruf von der
Garnison Chica erhalten und war daraufhin um den halben Planeten
gerast. Er wußte selbst nicht, was ihn dazu getrieben hatte, es
mußte jedenfalls ein starkes Motiv gewesen sein. Dabei war im
Grunde gar nicht viel passiert. Man hatte einen dieser
Grünröcke entführt, die auf der abergläubischen,
vom Hexenwahn beherrschten Erde eine solche Sonderstellung einnahmen.
Und man hatte gravierende Vorwürfe erhoben, ohne jedoch Beweise
zu liefern. Das hätte sicher auch der zuständige Colonel
erledigen können.
Andererseits war Shekt in die Sache verwickelt – Shekt. Und
nicht etwa als Angeklagter, sondern als Kläger. Eine verwirrende
Geschichte.
Jetzt saß er den Leuten gegenüber, zermarterte sich das
Gehirn und war sich durchaus bewußt, daß er mit seinem
Urteil einen Aufstand heraufbeschwören konnte, der
womöglich seine eigene Position bei Hofe schwächen und ihm
jegliche Beförderungschancen verderben würde. –
Arvardan hatte soeben einen langen Vortrag über Virenstämme
und hemmungslos um sich greifende Seuchen gehalten, aber wie ernst
konnte man so etwas nehmen? Wie würden seine Vorgesetzten
reagieren, wenn er auf derartige Aussagen hin tätig wurde?
Andererseits war Arvardan ein namhafter Archäologe.
Er verschob die Entscheidung auf später und wandte sich an
den Sekretär: »Sie möchten sicher ebenfalls Stellung
nehmen?«
»Ich habe nicht viel zu sagen«, erklärte der
Sekretär unbekümmert. »Meine Frage ist nur, ob Sie
Beweise haben, die Ihre Vorwürfe stützen.«
»Exzellenz«, begann Arvardan. Er war mit seiner Geduld
am Ende. »Ich habe Ihnen bereits erklärt, daß der
Mann, als er uns vorgestern gefangennahm, alles bis in die letzten
Einzelheiten zugegeben hat.«
»Mag sein«, hielt der Sekretär dagegen,
»daß Sie gesonnen sind, dem Mann Glauben zu schenken,
Exzellenz, aber auch hier handelt es sich nur um eine unbewiesene
Behauptung. Außenstehende können lediglich bezeugen,
daß ich mit Gewalt gefangengenommen wurde, ich und nicht
diese Leute; daß mein Leben in Gefahr war, und nicht das
ihre. Und noch etwas sollte mir der Vertreter der Anklage bitte
erklären: wie war es möglich, in den neun Wochen, die er
auf dem Planeten verbracht hat, soviel Material zusammenzutragen,
während Sie, seit vielen Jahren als Statthalter im Amt, nie
etwas Nachteiliges über mich in Erfahrung bringen
konnten?«
»Was der Bruder sagt, ist nicht von der Hand zu weisen«,
stimmte Ennius mit schwerer Zunge zu. »Woher beziehen Sie denn
nun Ihr Wissen?«
»Vor dem Geständnis des Angeklagten«, antwortete
Arvardan steif, »wurde ich von Dr. Shekt über die
Verschwörung informiert.«
»Ist das richtig, Dr. Shekt?« Der Statthalter sah den
Physiker an.
»Das ist richtig, Exzellenz.«
»Und wie sind Sie dahintergekommen?«
»Dr. Arvardan hat mit bewundernswerter Genauigkeit
beschrieben, wie der Synapsifikator eingesetzt wurde«, begann
Shekt. »Das gleiche trifft für seine Wiedergabe der
Aussagen zu, die der Bakteriologe F. Smitko auf dem
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