Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
hielt zögernd
inne. Sie vermochte den schrecklichen Gedanken nicht in Worte zu
fassen, wartete vergebens auf eine Erleuchtung.
»Es handelt sich um einen jungen Mann, der um Audienz bittet.
Ich kenne ihn nicht. Was will er hier? Er kommt von der Erde.«
Hinrik rang nach Luft und taumelte, als drehe sich eine Schallplatte
in seinem Kopf.
Das Mädchen lief zu ihm und faßte ihn am Arm.
»Setz dich, Vater«, sagte sie energisch. »Erzähl
mir in aller Ruhe, was geschehen ist.« Sie schüttelte ihn,
und die Panik in seinen Zügen flaute ein wenig ab.
»Ich weiß es nicht genau«, flüsterte er.
»Ein junger Mann ist auf dem Weg hierher, um mich vor einem
Anschlag auf mein Leben zu warnen. Auf mein Leben. Und sie wollen, daß ich ihn anhöre.«
Er lächelte dümmlich. »Mein Volk liebt mich doch.
Wer sollte mir nach dem Leben trachten? Oder? Was meinst
du?«
Er sah sie flehentlich an und war sichtlich erleichtert, als sie
sagte: »Natürlich will dich niemand töten.«
Doch schon hatte er sich wieder verkrampft: »Glaubst du,
daß sie dahinterstecken?«
»Wer?«
Er beugte sich vor und flüsterte. »Die Tyranni. Gestern
war der Gutsherr von Widemos hier, und sie haben ihn
getötet.« Seine Stimme wurde schrill. »Und jetzt
schicken sie jemand, der mich töten soll.«
Artemisia packte ihn so fest an der Schulter, daß ihn der
Schmerz in die Gegenwart zurückholte.
»Vater!« befahl sie. »Du sitzt jetzt ganz still und
sagst kein Wort! Hör zu. Niemand wird dich töten. Verstehst
du mich? Es ist sechs Monate her, daß der Gutsherr hier war.
Weißt du nicht mehr? Sind es nicht sechs Monate? Denk
nach!«
»So lange?« flüsterte der Administrator. »Ja,
gewiß, es muß wohl so sein.«
»Du bleibst jetzt hier und ruhst dich aus. Du bist ja
völlig am Ende. Ich werde den jungen Mann selbst empfangen und
ihn erst zu dir bringen, wenn ich sicher bin, daß dir von ihm
keine Gefahr droht.«
»Würdest du das tun, Arta? Wirklich? An einer Frau wird
er sich nicht vergreifen. Ganz sicher nicht.«
Sie beugte sich über ihn und küßte ihn auf die
Wange.
»Nimm dich in acht«, murmelte er und schloß
müde die Augen.
6
DAS EINE KRONE DRÜCKT *
Während Biron Farrill unruhig in einem der Nebengebäude
im Palastbezirk wartete, plagte ihn zum ersten Mal in seinem Leben
das ernüchternde Gefühl, ein Spießer zu sein.
Er hatte Schloß Widemos, wo er aufgewachsen war, immer
für schön gehalten, doch jetzt, in der Erinnerung, empfand
er die barbarische Pracht, die geschwungenen Linien, die
verschnörkelten Gitter, die barocken Türmchen, die
kunstvollen ›Falschen Fenster‹ nur noch als vulgär.
Schon der Gedanke daran ließ ihn zusammenzucken.
Das hier – war damit nicht zu vergleichen.
Der Palast von Rhodia war kein pompöser Klotz, mit dem ein
kleiner Rinderbaron seinen Reichtum protzig zur Schau stellte, und er
brachte auch nicht die kindlichen Sehnsüchte einer im Niedergang
begriffenen, ja sterbenden Welt zum Ausdruck. Was er hier sah, war
vielmehr die steingewordene Krönung der Hinriad-Dynastie.
Die Gebäude wirkten kraftvoll und doch schlicht. Die klaren,
vertikalen Linien verlängerten sich zum Zentrum jedes einzelnen
Bauwerks hin, ohne daß dadurch der kitschige Effekt eines
Türmchens entstanden wäre. Bei aller Bodenständigkeit
strahlte diese Architektur eine unaufdringliche Würde aus, eine
ganz eigene Atmosphäre von Stolz und Selbstbewußtsein, die
den Betrachter sofort berührte, ohne daß er auf den ersten
Blick erkannt hätte, wie dieser Eindruck zustande kam.
Und was für die einzelnen Gebäude galt, das galt auch
für den Gesamtkomplex. Der riesige Zentralpalast stellte den
Höhepunkt dar. Hier waren auch die letzten Manierismen in
Rhodias maskulinem Baustil weggefallen. Sogar auf die ›Falschen
Fenster‹, hochgeschätzte, aber in einem künstlich
beleuchteten und voll klimatisierten Gebäude gänzlich
überflüssige Dekorationselemente, hatte man verzichtet. Und
das war seltsamerweise kein Verlust.
Hier gab es nichts als glatte Linien und Flächen, abstrakte
Geometrie, die das Auge zum Himmel emporgeleitete.
Der tyrannische Major kam durch die Innentür und blieb kurz
bei ihm stehen.
»Man wird Sie jetzt empfangen«, sagte er.
Biron nickte. Kurze Zeit später schlug ein hochgewachsener
Mann in scharlachroter, hellbraun paspelierter Uniform vor ihm die
Hacken zusammen. Sein Anblick machte Biron schlagartig klar,
daß nur die wirklich Mächtigen auf solche
Äußerlichkeiten
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