Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
hierbleiben.«
Der Kapitän wählte seine Worte mit Bedacht.
»Gnädigste sollten wissen«, sagte er, »daß
ich für den Befehl in keiner Weise verantwortlich bin. Man hat
mich nicht um Rat gefragt. Man hat mir nur klipp und klar gesagt, was
ich zu tun habe.«
Unschlüssig wühlte er in seiner Tasche nach der Kopie
seiner Instruktionen. Er hatte schon zweimal versucht, ihr dieses
Beweisstück vorzulegen, aber sie hatte sich geweigert, es auch
nur anzusehen, so als könne sie, indem sie es nicht zur Kenntnis
nahm, weiterhin mit reinem Gewissen abstreiten, daß er nur
seine Pflicht tat.
Und tatsächlich bekam er das gleiche zu hören wie zuvor:
»Ihre Befehle interessieren mich nicht.«
Dann machte sie mit klappernden Absätzen kehrt und
marschierte rasch in die andere Richtung.
Er folgte ihr und sagte leise: »In meinen Instruktionen ist
folgende Zusatzanweisung enthalten: Sollten Sie sich weigern, mit mir
zu kommen, so müsse ich Sie, ich bitte um Vergebung, auf das
Schiff tragen lassen.«
Sie fuhr herum. »Das würden Sie nicht wagen!«
»Wenn ich mir überlege«, sagte der Kapitän,
»von wem der Befehl kommt, dann gibt es nichts, was ich nicht
wagen würde.«
Sie versuchte es im Guten. »Im Grunde besteht doch
überhaupt keine Gefahr, Kapitän. Das Ganze ist
lächerlich, vollkommen absurd. In der Stadt ist alles ruhig. Es
ist nichts weiter passiert, als daß man gestern nachmittag in
der Bibliothek einen Gendarm niedergeschlagen hat. Ich bitte
Sie!«
»Heute am frühen Morgen wurde, abermals bei einem
Überfall von florinischer Seite, ein zweiter Gendarm
getötet.«
Das hatte gesessen. Dennoch übergoß eine tiefe
Röte das olivfarbene Gesicht, und die schwarzen Augen blitzten
kampflustig. »Was hat das mit mir zu tun? Ich bin
schließlich kein Gendarm.«
»Gnädigste, das Schiff wird derzeit für den Abflug
vorbereitet. Wir starten in Kürze. Und gewiß nicht ohne
Sie.«
»Und meine Arbeit? Meine Forschungen? Begreifen Sie denn
nicht – Nein, wie sollten Sie auch.«
Der Kapitän schwieg. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt.
Ihr kupferrotes Kyrtkleid mit den eingewebten Silberfäden
brachte ihre glatten, samtigbraunen Schultern und Oberarme ausnehmend
gut zur Geltung. In Kapitän Racetys Augen stand mehr als fade
Höflichkeit und sachliche Bewunderung, wie er sie als einfacher
Sarkit einer Dame aus den höchsten Kreisen schuldig war.
Insgeheim fragte er sich, warum diesem entzückenden Frauenzimmer
eigentlich nichts Besseres einfiel, als sich wie ein hochgelehrter
Professor zu gebärden.
Samia war durchaus bekannt, daß ihre wissenschaftlichen
Ambitionen sie zur Zielscheibe gutmütiger Spötteleien
machten, vor allem in Kreisen, die gewohnt waren, daß sich die
Sarkitin von Adel ausschließlich ihren gesellschaftlichen
Verpflichtungen widmete, bevor sie sich irgendwann herbeiließ,
die Welt mit nicht mehr und nicht weniger als zwei künftigen
›Herren‹ von Sark zu beglücken. Aber sie kümmerte
sich nicht weiter darum.
Immer wieder wurde sie gefragt: »Schreibst du
tatsächlich ein Buch, Samia?« Und dann wollten die
Betreffenden das Werk meist auch noch sehen, um sich darüber
halbtot zu lachen.
So machten es jedenfalls die Frauen. Noch schlimmer waren freilich
die Männer. Deren herablassende Freundlichkeit, die offen zur
Schau getragene Überzeugung, ein tiefempfundener Blick, ein
starker Arm um ihre Taille würden genügen, sie von diesen
albernen Marotten zu heilen und ihre Gedanken auf die wirklich
wichtigen Dinge im Leben zu lenken, empfand Samia als geradezu
unerträglich.
Sie konnte sich schon gar nicht mehr erinnern, wann es angefangen
hatte. Eigentlich hatte ihre Liebe schon immer dem Kyrt gehört,
diesem Material, das die meisten Menschen als selbstverständlich
nahmen. Kyrt! Der König, der Kaiser, der Gott der
Textilien. Kein Vergleich war stark genug.
Aus chemischer Sicht war Kyrt nichts anderes als eine besondere
Spielart der Zellulose. Die Chemiker legten darauf jeden Eid ab,
obwohl sie bisher sie mit all ihren Instrumenten und Theorien nicht
hatten erklären können, warum die Zellulose auf Florina und
nur auf Florina und nirgendwo sonst in der Galaxis zu Kyrt wurde. Es
sei eine Frage des Aggregatzustandes, tönten sie. Aber wenn man
sie fragte, inwiefern sich der Aggregatzustand des Kyrt von dem
gewöhnlicher Zellulose unterscheide, waren sie plötzlich
ganz still.
Zum ersten Mal war ihr diese Art von Ignorantentum bei ihrem
Kindermädchen begegnet. »Warum glänzt es
Weitere Kostenlose Bücher