Fränkisch Schafkopf
verlieren. Dennoch zeigte sie Verständnis für das wohl Unvermeidliche: »Ja, wenn Se ins Gschäft müsset â¦Â« Und das Angebot von Paula Steiner, das Zimmer für die gebuchten acht Tage zu bezahlen, lehnte die Schwäbin kategorisch ab.
»Noi, des machet mer net. Des is scho recht so.« Sie solle halt mal wiederkommen, Landschaft und Fremdenzimmer würden ihr nicht davonlaufen. Im Sommer sei es hier auch sehr schön.
Ãberschwänglich bedankte Paula sich für dieses groÃzügige Entgegenkommen und reichte ihrer Gastgeberin zum Abschied die Hand. Dann verstaute sie ihre Habseligkeiten im Auto, schenkte der zu ihren FüÃen liegenden lieblichen Landschaft, wo sich der Himmel auf so angenehme, beschwingte Weise von Anhöhe zu Anhöhe wölbte, noch einen letzten langen Blick und startete den Motor.
Bei der ersten Autobahnraststätte fuhr sie ab. Lief zielstrebig in den Shop, griff mehrmals in das gut sortierte Weinregal und legte sechs Flaschen in den Einkaufskorb. Als sie sich wieder auf die A 7 einfädelte, hatte sie drei Flaschen Riesling, einen Kerner, einen Grau- und einen WeiÃburgunder zusätzlich im Gepäck. Und eine Stange Zigaretten. Der Urlaub war nun vorbei und damit auch die guten Vorsätze. Der Alltag hatte sie wieder, sie spürte schon sein Korsett. Aber es drückte nicht. Im Gegenteil, sie war Fleischmann dankbar, diesen »besonders heiklen Fall« übernehmen zu dürfen.
Nach einer äuÃerst zügigen Fahrt passierte sie endlich die Stadtgrenze und fuhr die menschenleere ErlenstegenstraÃe entlang. Trostlos, diese Sonntage in der Stadt. An der Ampel Sulzbacher StraÃe Ecke WelserstraÃe musste sie halten. So öde, geradezu hässlich ist Nürnberg, dachte sie, nur an diesen vermaledeiten Sonntagen.
Als die Ampel auf Grün schaltete, stellte sie dieses trübsinnige Sinnieren ein. Sie gab Gas und bog bei der ersten Gelegenheit rechts ab. Eine halbe Stunde später stand sie vor dem Krankenhaus, in das man Heinrich eingeliefert hatte.
Seit Fleischmanns Anruf hatte sie es nicht eine Sekunde lang in Erwägung gezogen, was anscheinend einige glaubten: dass Heinrich diesen Jakobsohn erschossen hatte. Und vehement auch die Möglichkeit verworfen, ihr Mitarbeiter könnte irgendetwas mit diesem Mord zu tun haben. Nein, das war ganz und gar ausgeschlossen. Heinrich doch nicht, nicht ihr Heinrich, der so sanft wie wurstig und anspruchslos durchs Leben stolperte. Den lediglich seine GroÃmutter und Richard Wagner aus der Fassung bringen konnten.
Genauso sicher war sie sich, dass dieses Offensichtliche nicht jeder so klar sehen würde wie sie. In dem Moment ahnte sie, dass es diesmal nicht mit der polizeilichen Ermittlungsarbeit getan war â hier würde es auch auf das richtige Taktieren ankommen, das andere so viel besser beherrschten als sie.
2
Sie fragte den Pförtner, wo sie den Patienten Bartels, Heinrich finden könne. Der Mann, grauer Schnauzbart, müde Augen, antwortete, ohne in seine Liste zu sehen.
»14 E, auf der Intensivstation, erster Stock, Zimmer 207.«
Als sie auf das Gebäude zulief, wunderte sie sich, dass der Pförtner Heinrichs Aufenthaltsort aus dem Stegreif wusste. Das war doch ungewöhnlich in einem so groÃen Krankenhaus. Für sie deutete das darauf hin, dass Heinrich hier bereits eine Berühmtheit erlangt hatte, die nichts Gutes heiÃen konnte.
Auf der Intensivstation angekommen, suchte sie als Erstes nach dem Schwesternzimmer. Darin saÃen drei Pfleger um einen kleinen runden Tisch und tranken Kaffee aus klobigen Bechern. Sie fragte den, der ihr am nächsten war, einen dünnen Mann mittleren Alters mit blonden Locken, ob sie Herrn Bartels besuchen dürfe. Alle drei blickten sie aufmerksam an.
»Sind Sie eine Angehörige?«
»Nein«, sagte sie wahrheitsgemäÃ. »Seine Vorgesetzte.«
»Also auch jemand von der Polizei. Dann möchte ich jetzt erst mal Ihren Dienstausweis sehen.«
Gott sei Dank hatte sie den bei sich. Sie lobte sich für ihre Umsicht und holte ihre Brieftasche aus der Brusttasche ihrer Wanderjacke, die sie bei der Abfahrt in MeÃstetten angelegt und seitdem nicht mehr ausgezogen hatte. Daraus entnahm sie den Dienstausweis und hielt ihn dem blond gelockten Pfleger so hin, dass dieser gezwungen war, den Kopf weit zurückzulegen, um ihn lesen zu können. Er riss ihn an sich und
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