Fränkisch Schafkopf
StraÃenverkehr. Noch ein letzter Blick in den Rückspiegel auf das weiÃe Kleid und die roten Beine, dann lag diese Tragödie schon hinter ihr.
Am späten Nachmittag erreichte sie Blaubeuren. Misstrauisch beäugte sie den Tankstellenbesitzer, der ihr soeben eröffnet hatte, dass es in der Stadt Mörikes keine Hotels gebe. Zumindest keine, die heute über ein freies Zimmer verfügten. Es sei doch Oschtern, sagte er zu ihr. Sie hörte einen leisen Vorwurf in seiner Stimme. Sie solle im Touristen-Center fragen, vielleicht habe man dort etwas für sie. Dann wandte er sich dem Kunden hinter ihr zu.
Schlagartig fühlte sie sich fremd in dieser gefälligen, hübschen Kleinstadt. Tatsächlich, Blaubeuren hatte ein Fremdenverkehrsamt. Doch das war schon seit Stunden geschlossen. An einem Samstagnachmittag! Die Blaubeurer hatten es anscheinend nicht nötig, das lokale Gastgewerbe zu bewerben. Allzumal zu Oschtern, wo die Gassen voll waren und alle Pensionen ihr »Belegt«-Schild aushängen konnten.
Sie stand etwas ratlos vor dem winzigen Fachwerkhäuschen. So hatte sich die Städterin Steiner die schwäbische Provinz nicht vorgestellt, so abweisend. Und dann der Dialekt, so breit und behäbig, der sägte bereits jetzt an ihren Nerven. Wie selbstgerecht, ja schon anmaÃend, der Tankstellenbesitzer sie zum Schluss noch gefragt hatte: »Ja, hän Sie koi Zimmer vorbestellt? Des müsset Sie â¦Â«
Viel später erst fand sie eine Bleibe. Weit weg von ihrem ursprünglichen Ziel. In MeÃstetten, in der Nähe von Albstadt-Ebingen. Ein schlichtes Zimmer, das kaum mehr als das Nötigste bot. Ihr war das recht. Sie buchte es für acht Nächte. Ob man sie abends denn mit einem Drei-Gänge-Menü verwöhnen dürfe? Der Wein sei dabei eingeschlossen, ausschlieÃlich Wein aus der Region. Ja, gern, das dürfe man, antwortete sie.
Sie packte ihre Reisetasche aus, stellte den Wecker auf das Nachtkästchen und ging dann in den kleinen Garten, wo sie sich eine Zigarette anzündete. Bis jetzt hatte sie ihr Nikotin-Soll auf den Punkt eingehalten. Sie war überrascht, dass es sie so gut wie keine Mühe gekostet hatte. Wenn man nur wollte, ging es ganz einfach.
In dem kleinen Speisesaal war bis auf einen Zweiertisch jeder Stuhl besetzt. Ãberall saÃen Paare und blickten verwundert auf, als sie den Raum betrat, um dann wie beiläufig und ein wenig verlegen wegzusehen, während sie zu ihrem Tisch ging. Aus der Küche roch es verlockend nach BratensoÃe. Eine junge Kellnerin servierte stumm und freundlich. Paula freute sich über die Backerbsensuppe, die sie das letzte Mal vor zig Jahren in einem Schullandheim vorgesetzt bekommen hatte. Danach gab es zwei Rinderrouladen mit Rotkohl und Kroketten. Und zum Schluss eine üppige Portion Crème brulée, die selbst gemacht und hervorragend war. Sie lieà sich Zeit für dieses späte Abendmahl, sodass sie die Letzte war, die den Speisesaal verlieÃ.
Als sie erneut in den gepflegten Garten auf der Rückseite des Hotels hinaustrat, sah sie, wie das Licht im Restaurant gelöscht wurde. Also hatte die stumme Bedienung auf sie, den letzten Gast, warten müssen. Das war ihr im Nachhinein unangenehm, auch wenn die junge Frau es nicht ungern getan zu haben schien, wenn Paula ihr freundliches, aufmunterndes Nicken bei jedem Gang richtig gedeutet hatte.
DrauÃen nun zündete sie sich eine HB an und kam sich dabei äuÃerst beherrscht vor. Wenn man die â einfach unumgänglichen â Zigaretten in den Stauphasen während ihrer Anreise abrechnete, war sie noch immer bestens im Plan. Ja, eigentlich konnte sie, bevor sie zu Bett ging, sich noch eine gönnen, ohne rückfällig zu werden. Als sie in die Schachtel sah, registrierte sie, dass sie leer war. Und auf Vorrat hatte sie ja in Nürnberg so groÃzügig verzichtet. Morgen war Ostersonntag, und da es nicht so aussah, als ob dieses Hotel über einen Zigarettenautomaten verfügte, würde sie morgen früh als Erstes zur Tankstelle fahren müssen, bevor es mit dem Wandern richtig losgehen konnte.
Aus der Hauswand löste sich ein Schatten, von dem sie in der Dunkelheit nur die glimmende Zigarette sah. Es war ihre schweigsame Bedienung.
»Zigarette nach Essen ist gut«, sagte sie in dem harten Idiom der Tschechen.
»Oh ja«, beeilte sich Paula zu erwidern, »sehr
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