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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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irgendjemanden da mit hineinzuziehen.
    LIAO YIWU:
    Machen Sie sich keine Sorgen!
    WU DINGFU:
    Kurz, für Wu Guofeng lief es an der Universität wie am Schnürchen, er war voller Hoffnung, voller Tatkraft – und die Hoffnung des Sohnes ist auch die ganze Hoffnung des Vaters! Im Nu hatten wir April 1986 , als er uns in einem mehrseitigen Brief mitteilte, dass Hu Yaobang gestorben sei …
    LIAO YIWU:
    Das muss 1989 gewesen sein!
    WU DINGFU:
    Ja, richtig, das war 1989 ! Der Brief vom April 1989 war der längste, den er uns je von der Universität geschrieben hat, das ganze Schreiben war aufgeregt, er zitierte Gedichte und beschrieb die Trauerkundgebungen am Mahnmal auf dem Tiananmen, die Versammlungen, die Parolen, die Schlagworte, die Beileidsschreiben und und und. Die Kommilitonen und Lehrer, die ihn umgaben, haben alle mitgemischt. Ich habe sofort zurückgeschrieben und ihn daran erinnert, dass seine Aufgabe vor allem anderen das Studium sei und dass er sich nicht in die Politik einmischen dürfe.
    LIAO YIWU:
    Das entspricht in etwa der Vorstellung von Hu Shi, man solle »weniger über Ismen reden und mehr die wirklichen Probleme studieren«.
    WU DINGFU:
    Ich habe gar nicht so viel darüber nachgedacht, ich hatte nur das Gefühl, dass er sich mit einer autoritären Regierung nicht einlassen dürfe, sonst würde ihm das noch bitter aufstoßen. Meine Generation hat das alles mitgemacht, den Hunger, die Säuberungen, die Kulturrevolution, wir haben zu viel gesehen. Im Handumdrehen gab es Wolken, im Handumdrehen Regen, das waren die alten Tricks der Kommunistischen Partei, das wussten wir mit dem Herzen und mit dem Bauch. Unser Mut war nicht groß, aber wenn man nicht besonders mutig war, hatte man auch keine großen Schwierigkeiten. Wu Guofeng saß in Peking, sein Blut war in Wallung, natürlich war er mit unserer Durchmogelei nicht einverstanden. Vier, fünf Briefe gingen hin und her, wir sind uns nicht einig geworden, aber ich habe ihm seinen dringendsten Wunsch erfüllt und in zwei Monaten eintausend Yuan zusammengebracht, das war damals eine gewaltige Summe.
    LIAO YIWU:
    Damals war ich künstlerisches Mitglied des regionalen Kunstmuseums, mein offizielles Gehalt belief sich auf gerade einmal einhundert Yuan. Wofür brauchte er denn so viel Geld? Wollte er es spenden?
    WU DINGFU:
    Er sagte, sein Fahrrad sei ihm abhanden gekommen, er müsse ein neues kaufen und habe auch sonst noch ein paar Ausgaben. Ich hing sehr an dem Jungen, also bin ich nicht weiter in ihn gedrungen.
    LIAO YIWU:
    Ihr Sohn war gerade in den kritischen Jahren, wo man »Verantwortung übernimmt, wenn für die Nation Gefahr droht«, es ist gefährlich, wenn man dann viel Geld in Händen hat.
    WU DINGFU:
    Auch wenn ich vor Ungeduld brannte, damals konnten wir uns nur über Briefe verständigen. Ich wusste, dass mein Junge nach der Wahrheit suchte, der wichtigste Grundsatz war, dass man ihn nicht umdrehen konnte, also habe ich ihm wider besseres Wissen immer wieder ins Gewissen geredet: »Die Kommunistische Partei ist unbarmherzig und grausam! Die ganzen Toten haben nie etwas von ihrem Leben gehabt!«
    Meine Eltern, die Großeltern von Guofeng, waren früher Rikscha-Kulis, sie mussten früh raus und haben bis in die Nacht hinein geschuftet. Sie haben Tragestangen zum Markt geschleppt, um ein kleines Auskommen zu haben, sie haben das Geld für ihre Familie fenweise verdient. Sie haben uns großgekriegt, wir haben geheiratet und selbst Kinder bekommen und die Arbeit unserer Vätergeneration weitergemacht. Es war sehr hart, und man musste den ständigen Umwälzungen der Kommunistischen Partei aus dem Weg gehen. Aber das war nicht einfach! Und Wu Guofeng hatte eine Chance, für die Generationen gearbeitet hatten, und er kam in eine gute Zeit, das politische Umfeld war viel entspannter als zu Zeiten Maos, er konnte weiterführende Schulen besuchen, er würde seine Fähigkeiten in Zukunft bestimmt entfalten können, und das harte Los seiner Familie würde der Vergangenheit angehören.
    Aber Wu Guofeng war noch ein Kind und hatte wenig Lebenserfahrung, er wollte nicht hören, er wollte auch nicht mit uns diskutieren, schließlich hat er auf meine Briefe einfach nicht mehr geantwortet. Erst nach den ganzen Geschehnissen habe ich erfahren, dass er die tausend Yuan für eine gute Kamera brauchte, mit der er die historischen Begebenheiten dokumentieren und der Nachwelt wertvolle Bilder hinterlassen wollte.
    LIAO YIWU:
    Ihr Sohn war ein »Liebling der Götter«,

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