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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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Striche der Schriftzeichen bei. Wu Guofeng hatte eine rasche Auffassungsgabe und ein gutes Gedächtnis, man erkannte schon früh, dass er das Zeug zum Studieren hatte. Jedes Jahr war er unter den drei besten Schülern, aber er bildete sich nichts darauf ein und wurde von seinen Lehrern wie von seinen Mitschülern gleichermaßen geschätzt.
    LIAO YIWU:
    Die Kinder von armen Leuten führen früh den Haushalt, heißt es.
    WU DINGFU:
    Da der wirtschaftliche Druck übergroß war, ermahnte ich ihn, sich nach der Abschlussprüfung der Unterstufe der Mittelschule bei einer Fachhochschule zu bewerben, auf diese Weise könnte er frühzeitig Arbeit bekommen und sich eine Lebensgrundlage sichern. Keiner hätte gedacht, dass der Junge so raffiniert sein würde, mir nach außen hin vollmundig recht zu geben und insgeheim mit ein paar Schulfreunden zu verabreden, unter gar keinen Umständen auf eine Fachhochschule zu gehen! Und so ist er mit herausragenden Leistungen in die Oberstufe versetzt worden, meine Pläne waren null und nichtig, ich konnte nur still in mich hineinjammern.
    LIAO YIWU:
    Ihnen hat vielleicht etwas der Weitblick gefehlt.
    WU DINGFU:
    Da kann man nichts machen. Die Leistungen unserer Ältesten waren eigentlich auch gut, mit der Fachhochschule hätte sie ein gutes Auskommen haben können, aber letzten Endes lebt eine Familie von ihrem »Weitblick«, also haben wir sie weiter studieren lassen, in der Meinung, sie würde problemlos die Aufnahmeprüfung für die Universität schaffen – Resultat: Sie ist durchgefallen. Es war wie Wasser in einem Korb tragen, die Straße war voll von jungen Leuten, die die Aufnahmeprüfung nicht geschafft haben, sie konnten eine Zeitlang keine Arbeit finden und ließen sich zu Hause durchfüttern, was sollten sie sonst auch machen.
    Wenn die Kinder groß sind, na, wenn sie gehen, dann gehen sie, die Gesundheit meiner Frau und auch die meine ist nicht besonders, damit haben wir uns abgefunden. Aber Wu Guofeng stellte uns vor vollendete Tatsachen, und wir als seine Eltern waren gezwungen, uns alles vom Mund abzusparen, was sollten wir machen. Es muss so Mitte der achtziger Jahre gewesen sein, als die Gesellschaft es erlaubte, sich seinen eigenen Weg im Leben zu suchen, und Guofeng, verdammt nochmal, hat am Eingang einen kleinen Laden aufgemacht, wo er irgendwelchen Krimskrams verkaufte, um etwas für den Haushalt beisteuern zu können. Ich musste in meiner freien Zeit das Essen machen, die Wäsche waschen und mich um das Alltägliche meiner Kinder kümmern. Ich habe schweren Herzens die Alarmglocken geläutet. Damals war er schon kurzsichtig, und ich habe zu ihm gesagt: »Eine Brille! Du kannst machen, was du willst, du wirst die Aufnahmeprüfung für die Universität nie schaffen, und dann, es wird keine Einheit geben, die einen kurzsichtigen Bücherwurm haben will!«
    Wu Guofeng war ein verständiger Junge, er hat nicht widersprochen, aber er hat mich getröstet: »Mach dir mal keine Sorgen, alter Herr!«
    Ich sagte: »Du bist in der Schule höchstens Mittelmaß, wie soll ich mir da keine Sorgen machen!«
    Er sagte: »Das verstehst du nicht. Jetzt, das ist die erste Klasse der Oberstufe, wenn man da zu gut ist, dann beobachten einen die Lehrer und die Mitschüler von morgens bis abends, dann will der eine das, der andere das, das ist zu viel Stress, und ich habe keine Zeit mehr, um Spaß zu haben. Deshalb, solange ich gerade so mitkomme, ist alles in Ordnung.«
    Ich hatte den Verdacht, dass er sich aufspielte, aber er meinte es ganz ernst: »Es gibt kein Fach, in dem ich nicht mitkomme, wenn du das nicht glaubst, dann werde ich am Ende des Schuljahrs zu den drei Besten gehören, du wirst Augen machen!« Resultat: Er war unter den drei Besten.
    LIAO YIWU:
    Da stand seiner Zukunft ja nichts mehr im Wege.
    WU DINGFU:
    Eltern wie uns, unsere Generation, hat die Politik so hin und her geworfen, dass wir völlig verbraucht sind, deshalb setzen wir unsere ganze Hoffnung auf unsere Kinder. Manchmal ist das ein wenig zu viel des Guten, offensichtlich eine Dummheit. Die dritte Klasse der Oberstufe, das war der Dreh- und Angelpunkt, wir litten sehr, aber er wusste, was er tat. Am Vorabend der Aufnahmeprüfung für die Universität besuchte er einen Repetitionskurs und hielt sich noch immer daran: Wenn er lernen musste, lernte er, wenn er seinen Spaß haben wollte, hatte er seinen Spaß, wir sind vor Angst bald wahnsinnig geworden.
    Eines Tages kam eine Nachricht von drei seiner Lehrer: Er

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