Fragmente des Wahns
Alex.
„Ja genau. Eigentlich wollte ich dich besuchen, doch da hat mir Lisa von deinem Auszug und Einzug bei Ralfie erzählt. Ich habe sie dazu genötigt, dich anzurufen und auszuhorchen. Ich musste wissen, was du treibst.“
„Und da habe ich Doktor Fleischmann erwähnt.“
„Ja. Ich hatte Angst, dass er deine Erinnerungen zurückholen könnte, deshalb habe ich ihn besucht. Es war reines Glück, dass ich vor euch das Krankenhaus erreicht habe.“
„Und dann?“
„Ich habe ihm erzählt, dass du verhindert seist und ich dir die Ergebnisse mitteilen würde. Dann fing er auch schon von Doktor Niederseher und seinem Experiment an. Ich wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, und bekam Panik.“
„Also hast du ihn einfach entführt.“
„Mehr oder weniger.“
„Deswegen warst du an dem Tag, wo ich plötzlich bei dir aufgetaucht bin, so nervös.“
„Unter anderem. Ich wusste da ja noch nicht, dass du dich immer noch nicht richtig erinnern konntest. Bis du mir alles erzählt hast.“
„Und dann hast du selbstverständlich deine Hilfe angeboten, damit du auch immer schön in meiner Nähe sein konntest.“
„Ja. Und ich Idiot habe dich auch noch auf die Idee mit der Straße gebracht. Ich habe dich förmlich zu Doktor Niederseher gedrängt.“
„Vielleicht war es einfach an der Zeit, dass ich die Wahrheit erfuhr.“
„Ja … vielleicht.“
„Und jetzt?“, fragte Alex.
„Sag du es mir, Bruder?“
„Binde mich los, Andreas und geh zur Polizei. Es ging alles viel zu lange gut. Stell dich.“
„Ich kann nicht … es tut mir leid.“
Andreas stand auf, zielte und schloss dabei die Augen.
„Es tut mir leid.“
Ein Schuss durchfuhr den Raum.
Niemand hatte ihn bemerkt.
Zu sehr waren die Brüder damit beschäftigt gewesen, sich gegenseitig Vorwürfe zu machen. Er hatte nur wenig vom Gespräch mitbekommen, doch was er mit bekommen hatte, waren die Pistole und Alex’ Situation gewesen. Und das reichte vollkommen aus.
Er rannte aus dem Flur, so schnell seine Füße ihn tragen konnten, warf sich mit aller Kraft gegen Andreas und riss ihn während des Schusses zu Boden. Die Kugel raste an Alex vorbei, wenn auch nur knapp. Die Pistole flog aus der Hand von Andreas.
Andreas hatte die Kontrolle verloren. Er brauchte ein paar Sekunden, bis er sich wieder auf die Situation einstellen konnte. Dann sah er ihn.
„Du?“
„Sieht so aus.“
Und schon schlug Ralfie auf ihn ein. Doch Andreas konnte sich zur Seite drehen und ausweichen.
„Mist.“
Alex war ebenso verwirrt wie sein Bruder. Er konnte nicht glauben, dass Ralfie plötzlich im Wohnzimmer stand und ihn vor einer Kugel gerettet hatte. Woher hatte er das nur gewusst?
Doch das war jetzt alles nebensächlich, denn Alex musste seinem Freund helfen, der gerade von Andreas einen Schlag ins Gesicht bekam.
„Was machst du denn hier?“, fragte Andreas verwirrt.
„Dich aufhalten, was sonst“, antwortete Ralfie und versuchte einen weiteren Treffer zu landen. Vergebens. Beide rafften sich daraufhin auf.
Alex zog wie wild an seinen Fesseln. Sie waren noch immer fest, doch er gab nicht auf. Immer wieder riss er an, zog, tat alles, was er nur konnte, während sich die beiden die Köpfe einschlugen.
Dann spürte er eine Lockerung. Alex fasste Mut und zog immer weiter an den Seilen, wackelte dabei mit dem Stuhl hin und her, bis er samt dem Stuhl auf dem Boden landete. Dort sah er die beiden. Er musste sich beeilen.
Ralfie wich aus, um nicht noch einen direkten Treffer ins Gesicht zu bekommen. Er holte daraufhin selbst aus und schlug zu. Er traf Andreas in der Magengrube, doch es reichte bei Weitem nicht aus, um ihn gänzlich aufzuhalten.
Ganz im Gegenteil. Ralfie war nur für wenige Sekunden schutzlos gewesen, doch diese hatten ausgereicht, um Andreas die nötige Oberfläche für seinen nächsten Schlag zu geben. Ralfie landete verwundet am Boden.
Andreas beugte sich zu seinem Gegner hinab und wollte gerade zu einem neuen Schlag ansetzen, als Alex es endlich schaffte, sich zu befreien. Sein kleiner Bruder sah nur noch, wie er sich blitzschnell die Waffe griff … und zielte.
Alex war, als würde er ein Lächeln sehen.
Dann drückte er ab.
LEBEN
Mittwoch, 28. Juli 2011
9.05 Uhr, Gedenken
Alex stand vor dem Spiegel im Schlafzimmer und zog sich die schwarze Krawatte zurecht. Daraufhin setzte er sich auf das Ehebett und zog, passend zum schwarzen Anzug mit weißem Hemd, schwarze Socken und Lackschuhe an. Er war
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