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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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    Noch ein Schritt. »Glaubst du -«
    »Bitte lass mich nicht allein, Chloe«, flehte sie.
    »Weshalb sollte ich bleiben?«
    »Lass mich nicht allein, bitte.« Sie kroch mir nach und ihr verbrannter Körper glänzte dabei im Lampenschein. Spürte sie überhaupt noch physische Schmerzen? Sie war außer sich. »Ich verrate dir, wo das Portal ist, aber bitte verlass mich nicht.«
    »Du hast meine Beziehung zu meinen Eltern ruiniert«, sagte ich. »Obwohl mir inzwischen klar ist, dass du solche Kleinigkeiten vor dem Frühstück erledigst.«
    »Es ist hier, in diesen Gängen«, sagte sie.
    »Mein Ruf, meine Schwester, meine Firma. Hast du jemals auch nur eine Sekunde lang nicht an dich selbst gedacht?«
    »Heute ist es so weit, hast du das gewusst?
    Die dreiundzwanzigste Macht verleiht die Fähigkeit, durch das Portal zu treten. Es ist der Ausgleich dafür, dass man am unglücklichsten Tag des ganzen Jahres geboren ist.«
    Sie schleppte sich weiter auf mich zu.
    »Du hast mir die militärische Laufbahn versaut. Auf meine Ergreifung steht eine Belohnung, sollte ich je in die Vereinigten Staaten zurückkehren. Ich habe keine Zukunft in der Zukunft mehr.«
    »Als man mich zur Priesterin weihte, hat man mir von dieser Gabe erzählt, doch ich habe damals nichts verstanden. Welche Macht haben wir, Chloe!« Wieder zog sie sich eine Handbreit näher.
    »Ich kann nie wieder nach Hause zurückkehren«, fauchte ich sie verbittert an. »Ich hasse dich.«
    RaEm stürzte mit einem Wimmern zusammengerollt auf ihre verbrannte rechte Seite. War sie tot? Ich trat vor, mit einem Mal entsetzt darüber, wie ich mich verhielt. Ich hatte tatenlos zugeschaut, wie ein menschliches Wesen starb? Mit angehaltenem Atem kniete ich neben ihr nieder. War sie tot?
    Sie schoss herum und knallte mir eine.
    Ich flog hintenüber, doch sie warf sich auf mich. Über Monate hinweg hatte sie vorgegeben, ein Mann zu sein, das hatte ihr Kraft gegeben, während mich das ständige Teigkneten und Wollekrempeln geschwächt hatten. Eine verkohlte Hand und eine heile Hand schlossen sich um meine Kehle. »Ich werde nicht alleine sterben«, schwor sie mir. Ich würgte; mir wurde übel von ihrem Anblick und dem Geruch ihrer Haut. »Du hast dich über mich lustig gemacht, so wie sie alle. Alle haben mich beiseite gestoßen. Echnaton, den ich habe ermorden lassen. Phaemon, dessen Leichnam man nie finden wird. Hiram, der mich betrogen hat. Und euer ach so gottesfürchtiger Dadua, der meine Küsse ausgespuckt hat.«
    Ich kämpfte gegen ihren Klammergriff, auch wenn es in meinen Ohren schon laut summte. Ich versuchte sie abzuwerfen, kieselig und hart fühlte sich ihre Haut unter meiner Hand an. Sie hockte auf meinem Brustkorb, zu weit oben, als dass ich meine Beine einsetzen konnte, und zu schwer, als dass ich mich herumdrehen konnte. »Ich werde nicht allein sterben! Ganz bestimmt nicht!«, kreischte sie. Unter meiner Hand, an ihrem verbrannten Arm, spürte ich einen Riss in der Haut - ich konnte nichts mehr sehen, ich spürte die Hitze in meinem Ge-sicht, als würde es im nächsten Moment explodieren. Die Hand, die ich in ihre verbrannte Seite gekrallt hatte, erschlaffte.
    Kraftlosigkeit packte meinen Körper. Kein Sauerstoff mehr im Gehirn, dachte ich. Ich wüsste zu gern, wie sich das in die Geschichte fügt.
    Nein! RaEm würde mich nicht umbringen.
    Ich bohrte die Finger unter die Haut und riss an. Sie brüllte auf, denn ihre Epidermis löste sich wie ein Handschuh ab. Blut sprühte über mich, sie heulte auf und hielt sich den Arm. Ich rollte mich zur Seite und krabbelte schwer keuchend zur Tür. Sie packte mich am Fuß, und jedes Gramm an Selbsterhaltungstrieb in mir reagierte.
    Ich trat sie ins Gesicht, rammte dabei den Knorpel ihrer Nase mit einem Ekel erregenden Knirschen in ihr Gehirn und schleppte mich unter Würgekrämpfen in den Gang.
    Immer weiter kroch ich, denn ich wollte nur noch fort von diesem Raum und ihrem Leichnam. Dann traf mich der Schock, und ich rollte mich bibbernd und schlotternd zusammen. Mein Gott, ich hatte eben einen Menschen getötet, einen Erdenbewohner.
    Als ich endlich wieder die Augen aufschlug, sah ich etwas Blaues in allen Schattierungen glühen.
    Tief in den Felsen unter Jerusalem hatte jemand ein Portal gehauen. Azurblau, türkis und kornblumenblau leuchtende Strahlen durchzogen den Raum. RaEm hatte mir verraten, dass dies die entscheidende Nacht war; möglicherweise hatte sie damit das einzige Mal in ihrem Leben die Wahrheit gesagt.

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