Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine
als würde er irgendeine Hip-Hop-Scheiße hören, dann grinst er zu Frank rüber und reißt das Steuer nach rechts.
Der Envoy kracht in Franks Auto und schiebt es an den Rand des Abgrunds.
Frank schafft es, gegenzusteuern, aber Jimmy rammt ihn erneut.
Die Gesetze der Physik sind gegen Frank. Der Geschäftsmann in ihm weiß, dass Zahlen niemals lügen, die Arithmetik kann man nicht verbiegen. Ein Fahrzeug, das schneller und schwerer ist, wird immer gewinnen. Er versucht, nach hinten auszuweichen, indem er bremst, aber hinter ihm fährt der Lexus und rammt seine Stoßstange. Franks einzige Hoffnung ist ein Auto, das entgegenkommt und den Envoy zum Ausweichen zwingt, aber selbst das wäre keine Lösung, weil für den Envoy kein Platz zum Ausweichen bliebe, und es müsste ein anderer dran glauben.
Es ist das Einzige, was ich zu meinen Gunsten vorbringen kann, denkt Frank. Dass ich nie einen erledigt habe, der kein Mitspieler war.
Nur Mitspieler.
Bis zum Gipfelpunkt der weiten Kurve hält er die Spur, aber Physik ist Physik – die Zahlen lügen nicht –, und die untere Hälfte der Kurve ist zu viel für den kleinen Mietwagen, besonders, wenn Jimmy the Kid ihn von der Seite rammt, um sicherzugehen.
Frank blickt rüber und sieht Jimmy, der ihm Bye-Bye winkt.
61
Stimmt das? Das ganze Leben rauscht an einem vorüber? Gewissermaßen. Frank hört einen Song.
»Wipeout« von den Surfaris.
» Ha-ha-ha-ha-ha-ha-ha-ha-ha-ha-a … wipeout! «
Dieses irre, höhnische Kichern, dann das berühmte Drum-Solo, der Gitarrenriff und wieder die Drums.
Er hört es auf dem ganzen Weg nach unten.
Wipeout.
Surfer kennen eine Unzahl von Ausdrücken für den Absturz von einer hohen Welle.
Wipeout, natürlich.
Von der Kante fallen.
Über den Wasserfall gehen.
In der Waschmaschine landen.
Frank hat das alles schon durch.
Umhergewirbelt werden, immer und immer wieder, sich fragen, ob das jemals aufhört, ob du je wieder an die Oberfläche kommst, ob du genug Luftreserven hast, den blauen Himmel wiederzusehen.
Nur, das war im Wasser . Das hier ist Land. Mit Bäumen und Felsen und Gestrüpp und dem fürchterlichen Krachen von Metall gegen all diese Hindernisse, dann dem Knall eines Gewehrs, das Frank erst als Gnadenschuss deutet, aber es ist der Airbag, der so knallt. Der ihm ins Gesicht schlägt, dann in die Seiten. Die Welt verwandelt sich in ein wirbelndes Kissen, der Absturz in einen Höllenritt die schräge Wand des Canyons hinab, entlangschrammend an allem, was ihm in den Weg kommt.
Das Entlangschrammen ist es, was ihm das Leben rettet.
Das Auto schrammt an einem Baum entlang, wird ein wenig gebremst, schrammt an einem Felsblock entlang, kippt über den Rand einer schmalen Schlucht, rutscht hinab und landet schließlich am Stamm einer Eiche.
Der Gitarrenriff verhallt.
Ha-ha-ha-ha-ha-ha-ha-ha-ha-ha-a …
Wipeout.
62
»Wir sollten mal runter und nachsehen«, sagt Carlo.
Sie haben den Envoy und den Lexus an den Straßenrand gefahren. Das Auto können sie nicht sehen, weil es in eine kleine Schlucht gestürzt ist, aber sie sehen die Flammen, die aus ihr hervorschießen.
»Was willst du denn nachsehen?«, fragt Jimmy the Kid. »Ob du noch Hotdogs auf ihm grillen kannst?«
Die Polizeisirenen sind schon zu hören.
»Wir sollten uns lieber verpissen«, sagt Jimmy.
Und weg sind sie.
63
Beim letzten Gitarrenriff kriecht Frank aus dem Wrack. Es tat schon irrsinnig weh, den Gurt zu lösen, noch schlimmer war es, die Tür aufzukriegen und sich rausfallen zu lassen, am meisten aber schmerzt die harte Landung auf der Erde. Die Rippen sind zumindest angeknackst, wenn nicht mehrfach gebrochen, seine linke Schulter ist dem Ellenbogen ein bisschen näher, als sie sein dürfte. Und was mit seinem rechten Knie los ist, will er lieber nicht wissen.
Ist egal.
Nichts wie weg.
Eigentlich dürfte er sich gar nicht bewegen. Eine gebrochene Rippe kann die Lunge punktieren. Eine innere Blutung kann zum Bluterguss werden, und dann heißt’s ade. Aber alles ist besser, als in ein kurz gebratenes Steak verwandelt zu werden, wenn das Auto zum Riesenknallkörper wird.
Auf dem Bauch kriecht er fast zwanzig Meter zur Seite, dann presst er die Nase in den Dreck und wartet auf die Detonation. Die Druckwelle trifft ihn wie ein Schlag, seine Rippen brennen, als lägen sie schon auf dem Grill.
Aber ich lebe, denkt er.
Ein paar Minuten bleibt er flach liegen. Zum einen muss er wieder zu Atem kommen. Zum anderen könnte Jimmy nach ihm suchen,
Weitere Kostenlose Bücher