Frankie Machine - Winslow, D: Frankie Machine
Sache können wir abschreiben.«
Logisch, denkt Jimmy, wenn man eine Flasche wie Vince auf den legendären Frankie Machine ansetzt.
Billy schluckt die bittere Pille. Was bleibt ihm anderes übrig? Wäre Vince am Leben, hätte er sich gemeldet. Also kann sein Schweigen nur eins bedeuten – und für Vince Vena bleibt zu hoffen, dass er seine letzte Beichte noch über die Lippen gebracht hat.
Ist aber verdammt schade um Vince. Hat ein Leben lang gedient, bis er endlich in den Kriegsrat der Detroit-Combination aufgestiegen ist – und ein paar Wochen später rafft es ihn dahin. Das allerdings bedeutet wieder, dass im Kriegsrat ein Stuhl frei geworden ist.
Jimmy sitzt da und sieht, wie es im Kopf seines Vaters arbeitet, wie der Alte die Stadien der Trauer durchläuft. Erst die Erkenntnis: Vince ist tot. Dann die Wut: Verdammt, Vince ist tot! Und schließlich wittert er Morgenluft: Vince ist tot, und jemand wird seinen Platz am Tisch einnehmen.
Die sind wie die Hyänen, die alten Säcke, denkt Jimmy, der im Knast jede Menge Tiersendungen gesehen hat. Sie halten zusammen, sie jagen im Rudel, sie teilen die Beute, aber wenn einer von ihnen in die Knie geht, fallen die anderen über ihn her und saugen ihm das Mark aus den Knochen.
Und die Knochen von Vince Vena haben saftiges Mark.
Es gibt nur zwei Unterbosse, denkt Jimmy, meinen Dad und den alten Tony Corrado, also wird einer von beiden nachrücken. Und wenn Dad die Sache in San Diego noch hinbiegt, ist er es.
»Die hätten mich schicken sollen«, sagt Jimmy.
»Du hast dich angeboten«, sagt Billy.
Jimmy zuckt die Schultern. Es ist wahr, er hat ein Riesentheater bei Jack Tominello veranstaltet, aber der Ratsvorsitzende und oberste Boss hat sich für Vince entschieden. Weil Vince San Diego als sein Territorium beansprucht hat. Also sollte er sich auch selbst drum kümmern.
Nur dass er’s nicht konnte.
»Und was jetzt?«, fragt Billy.
Er ist jetzt in dem Alter, dass er seinen eigenen Sohn um Rat fragt. Auf die Jugend muss man hören, denkt Billy, und Jimmy the Kid ist auf dem aufsteigenden Ast, mit nur siebenundzwanzig Jahren der Großverdiener der Combination, und im Kriegsrat ist praktisch schon ein Stuhl für ihn reserviert.
Wenn es so weit ist, wenn seine Zeit gekommen ist. Und der erste Schritt dorthin ist, dass ich in den Rat aufrücke. Dann kriegt Jimmy meinen Posten als Unterboss.
»Was jetzt?«, greift Jimmy die Frage auf. »Ich erledige Frankie Machine. Was denn sonst?«
Billy Jacks schüttelt den Kopf.
»Dad!«, beschwört ihn Jimmy. »Wir können nicht zusehen, wie dieser Typ ein Ratsmitglied umlegt und damit durchkommt. Außerdem haben wir einigen Leuten versprochen …«
»Ich weiß, was wir versprochen haben«, sagt Billy. Er blickt hinaus auf den Schnee und wird wieder wütend wegen Vince.
»Das sind doch nur ein paar kalifornische Beachboys.«
»Falls du’s vergessen hast«, sagt Billy, »einer dieser Beachboys hat Vince Vena umgebracht.«
»Du denkst, mit dem werde ich nicht fertig?«
Frank Machianno, Frankie fucking Machine, denkt Jimmy. Der Kerl muss doch längst über sechzig sein. Mag er eine Legende sein oder was immer, ein paar alte Glanznummern machen ihn nicht kugelfest.
Jimmy findet es nicht schlecht, dass Frankie Machine eine Legende ist.
Eine Legende umzulegen macht dich selbst zur Legende.
Wer der Mann sein will, muss erst den Mann schlagen, der der Mann war .
Das hat ihm sein Onkel klargemacht.
Tony Jacks war der Mann . Onkel Tony hat seinen Aufstieg auf die gute alte Art bewerkstelligt, hat die jüdische Connection aus Detroit vertrieben, war dann ein Krieger in der langjährigen Fehde zwischen East- und Westside, die schließlich durch die Combination beigelegt wurde. Tony Jacks war es gewesen, der Hoffa mit ins Boot holte und der später, wenn auch zögerlich, den Befehl gab, ihn zu beseitigen.
Aber jetzt ist Onkel Tony im Ruhestand, verdämmert seine Tage in Gottes Wartezimmer in West Palm Beach.
Das ist das Problem mit »unserer Sache« heutzutage, dass es nicht mehr genug Männer wie Onkel Tony gibt, denkt Jimmy. Er liebt seinen Vater, aber der ist wie die meisten alten Männer – müde, verschlissen und zögerlich mit der Waffe. Es hat Generationen gedauert, unsere Sache aufzubauen, und nun geben die alten Männer einfach auf, überlassen alles den Schwarzen, den Jamaikanern und den Russen.
Oder den Beachboys an der Westküste.
Wir sind einfach verweichlicht.
Aber nicht Jimmy the Kid. Er ist alte Schule
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