Franny Parker
hatte ich echt viel damit zu tun, den Notleidenden zu helfen, so wie Grandma gesagt hatte. Zwar nicht ganz so, wie sie es gemeint hatte, aber für mich war es das. Und darauf kam es ja wohl an.
Während Grandma Rae sich eifrig daranmachte, Hilfe für die Wakemans zu organisieren und sogar selbst Brunnenwasser von ihrem Haus zu den Rosenbeeten in der Stadt trug, betrachtete sie nur naserümpfend die alte Schildkröte, die einen Platz in einer ruhigen Ecke unserer Scheune bekam, unser erster offizieller Patient.
Die Nachricht machte in der Stadt schnell die Runde. Mitte Juni brachte uns der Postbote einen Karton mit frisch geschlüpften Vögeln, fünf Rauchschwalben, die aus dem Nest gefallen waren. Einen Tag späterhatte Faye Wakeman von Harlands Supermarkt angerufen.
»Franny, ich habe ein paar neue Patienten für euch«, sagte sie.
Ben und ich sprangen auf unsere Räder und radelten in der sengenden Sonne drei Kilometer bis in die Stadt. An Piels Schweinehof hielten wir uns die Nasen zu, dann glitten wir dankbar in den Schatten des Stadtparks. In dem klimatisierten Supermarkt brachen wir vor Erleichterung mehr oder weniger zusammen. Faye reichte uns kalte Limonade und zog eine Zigarrenkiste unter dem Kassenpult hervor.
»Darrel würde sich über mich totlachen, wenn er wüsste, dass ich die kleinen Dinger an euch abgebe, aber ich konnte es einfach nicht übers Herz bringen, sie liegen zu lassen«, sagte sie zu uns.
In der Kiste zuckten fünf rosige Dinger. Ihre dunklen Ohren klebten ein bisschen wie Blütenblätter an ihren Köpfen, ihre glatten Schwänze hatten sie zum Schutz wie ein kleines Nest um sich gewickelt.
»Ach, wie niedlich, Mäuse«, flüsterte Ben.
»Hab sie unter einem Heuballen gefunden. Wahrscheinlich hab ich ihre Mutter verscheucht. Könnt ihr ihnen helfen?«, fragte Faye.
Ich starrte in das Mäusenest. Sie sahen irgendwie wie kleine Außerirdische aus. »Mama wird schon wissen, was zu tun ist«, sagte ich zu Faye.
»Bist ein gutes Mädchen, Franny Parker.« Fayereichte mir einen Fünfdollarschein. »Nimm das für deine Mühe.«
Mama sah uns streng an, als wir nach Hause kamen. »So eine Tierklinik ist eine große Verantwortung«, sagte sie.
»Das schaff ich schon!«, versicherte ich ihr.
Sie spähte in die Kiste und sog die Luft ein. So einem Anblick war selbst Mamas praktische Seite nicht gewachsen. »Mutter Natur«, flüsterte sie und betrachtete eines der Krallenpfötchen in ihrer Hand. »Sie ist eine wahre Meisterin.« Ich musste ihr recht geben. Von den Schnäuzchen mit den Barthaaren bis zu den runden Bäuchlein hatte ich noch niemals etwas so perfekt Geformtes gesehen, nicht in so winzig. Sie warteten nur noch darauf, ihren Platz in der Welt einzunehmen. »Also gut, ruf den Tierarzt an. Du brauchst Tierbabymilch und eine Pipette.«
Ich zeigte Mama die fünf Dollar, die Faye für unser Unternehmen gestiftet hatte.
»Fang an zu sparen«, sagte Mama und reichte mir eine leere Kaffeedose.
Was ich auch sofort tat. Vom Juni an bis in die erste Juliwoche sparte ich jeden Cent und steckte ihn in die Dose, die wir »Tierkasse« nannten.
An dem Abend, als wir den gelben Kater mitgebracht hatten, stapfte ich mit Gefäßen voller Tierbabymilch und Obst und Gemüse für meine ganzen Patienten in die Scheune hinüber, einschließlich einerDose Thunfisch. Die Luft war kühl und frisch, eine leichte Brise bewegte die Bäume. Und da war noch etwas: Musik. Wie ein Hauch wehte sie von nebenan durch die Luft. Die Fenster des Holzhauses waren hell erleuchtet, und drinnen konnte ich sehen, wie sich Lindy über den Herd beugte und sich leicht wiegte. Der Tisch war gedeckt und auf einem der Stühle saß Lucas. Sein blondes Haar fiel nach vorne, während er sich über ein Buch beugte. Ein breites Lächeln lag auf seinem Gesicht. Als ich das Scheunentor öffnete, überlegte ich, was er wohl las, dass er so lächelte. Ich schaltete das Licht an und sah in die vielen Augen, die mich anstarrten, die schimmernden Augen der Tierpatienten in unserer Scheune. Ob Lucas wohl das rasselnde Schnurren eines alten Katers mochte? Würde er auch so ein warmes, wuschiges Gefühl empfinden, wenn er den winzigen Herzschlag eines kleinen Vogels spürte, der an seine Hand pochte?
Gäste zum Essen
E s gibt einen Jungen!«, flüsterte Sidda so begeistert ins Telefon, als hätte sie ihn selbst herbeigezaubert. Es war Mitte der Woche und sie berichtete ihrer Freundin das Neueste. Marilee war zu Verwandten verreist
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