Franz Eberhof 05 - Sauerkrautkoma
Metzgerei, da hab ich dann halt irgendwann einfach mein Okay gegeben, verstehst?«
Ja, verstehe.
»Ach, das ist ja alles so furchtbar«, kriegt der Flötzinger plötzlich wieder das Jammern. Zuerst denke ich ja fast ein bisschen gerührt, dass es meinetwegen ist. Doch statt meine Abschiebung zu beklagen, graust es ihm bloß vor der Badsanierung irgendeiner Grattlerfamilie. Ja, geht’s noch? Schließlich muss ICH fort von hier, und somit bin ICH es doch wohl, der getröstet werden sollte, oder?
Daheim hat der Papa eine Mordsüberraschung für mich. Er hat nämlich alle neunhundertachtundsiebzig Teile von der ›Löwengrube‹ aus der DVD-Bude geholt. Höchstpersönlich. Und zwar mit seinem alten Opel Admiral. Direkt aus Landshut. Zweieinhalb Stunden war er dafür unterwegs. Und einen Strafzettel hat er auch noch bekommen, weil vor diesem Scheißladen natürlich grad kein Parkplatz frei war. Aber wurst, sagt er. Weil jetzt ist es gut. Jetzt können wir in aller Ruhe die ›Löwengrube‹ schauen. Seinetwegen die ganze Nacht lang. Wir können auch gleich damit anfangen, es dauert gar nicht mehr lang. Bloß noch kurz auf den Leopold warten, der müsste eigentlich gleich da sein. Ist er auch.
»Bruderherz! Was muss ich vernehmen? Sag bloß? München, ist das nicht wundervoll! Dann kommst du endlich mal raus aus diesem Drecksnest hier. Ja, willkommen in der Zivilisation, könnte man sagen!«
Das alles sagt er, während er aus dem Wagen steigt, über den Hof wandert, seine Arme ausbreitet und beinahe den Papa zerquetscht.
»Hast du die Filme?«, will er dann auch gleich wissen.
»Hab ich! Und zwar die mit Untertitel«, sagt der Papa und deutet auf das Dielenkasterl, wo die gesammelten Werke schon warten.
»Sogar mit Untertitel! Papa, das ist ja fantastisch! Da kann ja praktisch die Oma auch noch mitgucken. Gell, Oma«, schreit er das winzige Wesen an, das gerade durch den Flur hindurchwatschelt. Warum ist der so scheiß-gut gelaunt? Vor allem für jemanden, der grad im Begriff ist, seine dritte Ehe an die Wand zu fahren?
»Du bist verdammt scheiß-gut gelaunt, wenn man bedenkt, dass grad deine dritte Ehe den Bach runtergeht«, sag ich und ernte damit undankbare Blicke, nicht nur vom Leopold.
»Immer schön locker bleiben, Bruderherz«, sagt der Leopold und haut mir auf die Schulter. »Die spinnt sich schon wieder aus, die Panida. Sie braucht halt nur ihre Zeit, verstehst.«
»Wie lang konkret?«, frag ich jetzt einmal nach.
Aber die zwei lassen mich einfach stehen, machen sich über die DVD-Sammlung her und freuen sich sichtlich auf einen kuscheligen Filmeabend. Die Oma schleppt tonnenweise Bier und Salzstangen aus der Küche an und gesellt sich schließlich dazu. Familienidylle mit Schleimsau.
»Kommst du, Franz?«, hör ich den Papa grade noch rufen. Aber der Franz kommt nicht. Weil er hier sonst das Kotzen kriegt.
Kapitel 2
Obwohl wir schon September haben, ist es noch irrsinnig heiß. Eigentlich viel zu heiß für diese Jahreszeit. Doch dafür hat es den ganzen Juli und August pausenlos geregnet. Heute ist Samstag. Und zwar der mit dieser wunderbaren Hundertfünfzigjahrfeier von unserer Schule. Niederkaltenkirchen im Ausnahmezustand, könnte man sagen. Seit Monaten schon wurden alle möglichen Aufgaben unter den Eingeborenen verteilt. Ich persönlich bin natürlich für die Sicherheit verantwortlich. Die Katholischen Landfrauen zum Beispiel haben es sich nicht nehmen lassen, in abendfüllenden Aktionen das triste Schulhaus in eine Art Megapartytempel zu verwandeln. Überall wehen bunte Fahnen, Wimpelketten und Girlanden durch die Luft. Lichterketten und Ballons sollen am Abend für die Beleuchtung sorgen. Und sogar eine Discokugel haben sie irgendwo auftreiben können. Die Schulband übt schon seit Tagen, und weil das ganz in unserer Nähe ist, komm ich auch ständig in den Genuss der Klassiker deutscher Volksmusik. Das sind dann die Momente, wo sogar ich mir dem Papa seine Beatles zurückwünsche.
Zahlreiche Biergarnituren lassen den großen Andrang erahnen, und aus wärmetechnischen Motiven wird das Büfett im Schatten der Bäume aufgebaut. Die Oma schiebt mit ihrem Schubkarren zahllose Kuchen und Torten heran, die sie tagelang gebacken hat. Und das Metzgerpaar Simmerlsorgt selbstverständlich für das fleischliche und wurstige Wohl der Niederkaltenkirchner. Der großartige Leopold hat sogar Sachen für eine Tombola spendiert. Damit schlägt er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens kann er
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