Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
Vom Netzwerk:
aus, daß Ihr niemand von dem etwas sagt, was ich jetzt erzählen werde; Ihr dürft darum keine seltsamen Geheimnisse erwarten, sondern ich bitte Euch bloß darum, weil ich nicht weiß, in welche Verlegenheiten mich etwa künftig Euer Mangel an Verschwiegenheit setzen dürfte.
    Wißt also, daß ich kein Deutscher bin, sondern ich bin aus einer edlen italienischen Familie entsprossen, mein Name ist Roderigo. Meine Eltern gaben mir eine sehr freie Erziehung, mein Vater, der mich übermäßig liebte, sah mir in allen Wildheiten nach, und als ich daher älter wurde und er mit seinem guten Rate nachkommen wollte, war es natürlich, daß ich auf seine Worte gar nicht achtete. Seine Liebe zu mir erlaubte ihm aber nicht, zu strengern Mitteln als gelinden Verweisen seine Zuflucht zu nehmen, und darüber wurde ich mit jedem Tage wilder und ausgelassener. Er konnte es nicht verbergen, daß er über meine unbesonnenen Streiche mehr Vergnügen und Zufriedenheit als Kummer empfand, und das machte mich in meinem seltsamen Lebenslaufe nur desto sicherer. Er war selbst in seiner Jugend ein wilder Bursche gewesen, und dadurch hatte er eine Vorliebe für solche Lebensweise behalten, ja er sah in mir nur seine Jugend glänzend wieder aufleben.
    Was mich aber mehr als alles übrige bestimmte und begeisterte, war ein junger Mensch von meinem Alter, der sich Ludovico nannte, und bald mein vertrautester Freund wurde. Wir waren unzertrennlich, wir streiften in Romanien, Kalabrien und Oberitalien umher, denn die Reisesucht, das Verlangen, fremde Gegenden zu sehn, das in uns beiden fast gleich stark war, hatte uns zuerst aneinandergeknüpft. Ich habe nie wieder einen so wunderbaren Menschen gesehn, als diesen Ludovico, ja ich kann wohl sagen, daß mir ein solcher Charakter auch vorher in der Imagination nicht als möglich vorgekommen war. Immer ebenso heiter als unbesonnen, auch in der verdrießlichsten Lage fröhlich und voll Mut: jede Gelegenheit ergriff er, die ihn in Verwirrung bringen konnte, und seine größte Freude bestand darin, mich in Not oder Gefahr zu verwickeln, und mich nachher steckenzulassen. Dabei war er so unbeschreiblich gutmütig, daß ich niemals auf ihn zürnen konnte. So vertraut wir miteinander waren, hat er mir doch niemals entdeckt, wer er eigentlich sei, welcher Familie er angehöre, sooft ich ihn darum fragte, wies er mich mit der Antwort zurück: daß mir dergleichen völlig gleichgültig bleiben müsse, wenn ich sein wirklicher Freund sei. Oft verließ er mich wieder auf einige Wochen, und schwärmte für sich allein umher, dann erzählten wir uns unsre Abenteuer, wenn wir uns wiederfanden.«
    »So gibt es doch noch so vernünftige Menschen in der Welt!« fiel Rudolph heftig aus, »wahrlich, das macht mir ganz neue Lust, in meinem Leben auf meine Art weiterzuleben! Oh, wie freut es mich, daß ich Euch habe kennen lernen, fahrt um Gottes willen in Eurer vortrefflichen Erzählung fort!«
    Der Ritter lächelte über diese Unterbrechung, und fuhr mit folgenden Worten fort: »Es war fast kein Stand, keine Verkleidung zu erdenken, in der wir nicht das Land durchstreift hätten, als Bauern, als Bettler, als Künstler, oder wieder als Grafen zogen wir umher, als Spielleute musizierten wir auf Hochzeiten und Jahrmärkten, ja der mutwillige Ludovico verschmähte es nicht, zuweilen als eine artige Zigeunerin herumzuwandern, und den Leuten, besonders den hübschen Mädchen, ihr Glück zu verkündigen. Von den lächerlichen Drangsalen, die wir oft überstehen mußten, so wie von den verliebten Abenteuern, die uns ergötzten, laßt mich schweigen, denn ich würde euch in der Tat ermüden.«
    »Gewiß nicht«, sagte Rudolph, »aber macht es, wie es Euch gefällt, denn ich glaube selbst, Ihr würdet über die Mannigfaltigkeit Eurer Erzählungen müde werden.«
    »Vielleicht«, sagte der Ritter. »Von meinem Freunde glaubte ich heimlich, daß er seinen Eltern entlaufen sei, und sich nun auf gut Glück in der Welt herumtreibe. Aber dann konnte ich wieder nicht begreifen, daß es ihm fast niemals an Gelde fehle, mit dem er verschwenderisch und unbeschreiblich großmütig umging. Fast so oft er mich verließ, kam er mit einer reichen Börse zurück. Unsre größte Aufmerksamkeit war auf die schönen Mädchen aus allen Ständen gerichtet; in kurzer Zeit war unsre Bekanntschaft unter diesen außerordentlich ausgebreitet, wo wir uns aufhielten, wurden wir von den Eltern ungern gesehn, nicht selten wurden wir verfolgt, oft entgingen wir

Weitere Kostenlose Bücher