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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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nur mit genauer Not der Rache der beleidigten Liebhaber, den Nachstellungen der Mädchen, wenn wir sie einer neuen Schönheit aufopferten. Aber diese Gefährlichkeiten waren eben die Würze unsres Lebens, wir vermieden mit gutem Willen keine.
    Die Reiselust ergriff meinen Freund oft auf eine so gewaltsame Weise, daß er weder auf die Vernunft, noch selber auf meine Einwürfe hörte, der ich doch Tor gern genug war. Nachdem wir Italien genug zu kennen glaubten, wollte er plötzlich nach Afrika übersetzen. Die See war von den Korsaren so beunruhigt, daß kein Schiff gern überfuhr, aber er lachte, als ich ihm davon erzählte, er zwang mich beinahe, sein Begleiter zu sein, und wir schifften mit glücklichem Winde fort. Er stand auf dem Verdecke und sang verliebte Lieder, alle Matrosen waren ihm gut, jedermann drängte sich zu ihm, die afrikanische Küste lag schon vor uns. Plötzlich entdeckten wir ein Schiff, das auf uns zusegelte, es waren Seeräuber. Nach einem hartnäckigen Gefechte, in welchem mein Freund Wunder der Tapferkeit tat, wurden wir erobert und gefangen fortgeführt. Ludovico verlor seine Munterkeit nicht, er verspottete meinen Kleinmut, und die Korsaren beteuerten, daß sie noch nie einen so tollkühnen Wagehals gesehen hätten. ›Was soll mir das Leben?‹ sagte er dagegen in ihrer Sprache, die wir beide gelernt hatten, ›heute ist es da, morgen wieder fort; jedermann sei froh, so hat er seine Pflicht getan, keiner weiß, was morgen ist, keiner hat das Angesicht der zukünftigen Stunde gesehn. Spotte über die Falten, über das Zürnen, das uns Saturn oft im Vorüberfliegen vorhält, der Alte wird schon wieder gut, er ist wacker, und lächelt endlich über seine eigne Verspottung, er bittet euch, wie Alte Kindern tun, nachher seine Unfreundlichkeit ab. Heute mir, morgen dir: wer Glück liebt, muß auch sein Unglück willkommen heißen. Das ganze Leben ist nicht der Sorge wert.‹
    So stand er mit seinen Ketten unter ihnen, und wahrlich! ich vergaß über seinen Heldenmut mein eignes Elend. – Wir wurden ans Land gesetzt und als Sklaven verkauft: noch als wir getrennt wurden, nickte Ludovico mir ein freundliches Lebewohl zu.

Wir arbeiteten in zwei benachbarten Gärten, ich verlor in meiner Dürftigkeit, in dieser Unterjochung allen Mut, aber ich hörte ihn aus der Ferne seine gewöhnlichen Lieder singen, und wenn ich ihn einmal sah, war er so freundlich und vergnügt, wie immer. Er tat gar nicht, als wäre etwas Besondres vorgefallen. Ich konnte innerlich über seinen Leichtsinn recht von Herzen böse sein, und wenn ich dann wieder sein lächelndes Gesicht vor mir sah, war aller Zorn verschwunden, alles vergessen.
    Nach acht Wochen steckte er mir ein Briefchen zu, er hatte andre Christensklaven auf seine Seite gebracht, sie wollten sich eines Fahrzeugs bemächtigen und darauf entfliehen: er meldete mir, daß er mich mitnehmen wolle, wenn dieser Vorsatz gleich seine Flucht um vieles erschwere; ich solle den Mut nicht verlieren.
    Ich verließ mich auf sein gutes Glück, daß uns der Vorsatz gelingen werde. Wir kamen in einer Nacht am Ufer der See zusammen, wir bemächtigten uns des kleinen Schiffs, der Wind war uns anfangs günstig. Wir waren schon tief ins Meer hinein, wir glaubten uns bald der italienischen Küste zu nähern, als sich mit dem Anbruche des Morgens ein Sturm erhob, der immer stärker wurde. Ich riet, ans nächste Land zurückzufahren, um uns dort zu verbergen, bis sich der Sturm gelegt hätte, aber mein Freund war andrer Meinung, er glaubte, wir könnten dann von unsern Feinden entdeckt werden, er schlug vor, daß wir auf der See bleiben, und uns lieber der Gnade des Sturms überlassen sollten. Seine Überredung drang durch, wir zogen alle Segel ein, und suchten uns so viel als möglich zu erhalten, denn wir konnten überzeugt sein, daß bei diesem Ungewitter uns niemand verfolgen würde. Der Wind drehte sich, Sturm und Donner nahmen zu, das empörte Meer warf uns bald bis in die Wolken, bald verschlang uns der Abgrund. Alle verließ der Mut, ich brach in Klagen aus, in Vorwürfe gegen meinen Freund. Ludovico, der bis dahin unablässig gearbeitet und mit allen Elementen gerungen hatte, wurde nun zum ersten Male in seinem Leben zornig, er ergriff mich und warf mich im Schiffe zu Boden. ›Bist du, Elender‹, rief er aus, ›mein Freund, und unterstehst dich zu klagen, wie die Sklaven dort? Roderigo, sei munter und fröhlich, das rat ich dir, wenn ich dir gewogen bleiben soll, denn wir

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