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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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gegenseitig zu verschlimmern. Da ist keine Aufmunterung zur Tugend, keine Abhärtung zum Kriege, keine Liebe des Vaterlands und der Religion, ja es ist keine Religion und kein Vaterland da, sondern jeder glaubt sich selbst der nächste zu sein, und häuft, ohne auf den gemeinen Nutzen zu sehn, die Güter auf erlaubte und unerlaubte Art zusammen, und vertändelt übrigens seine Zeit mit der ersten besten Torheit. Die Kunst vorzüglich scheint ordentlich dazu erfunden, die bessern Kräfte im Menschen zu erlahmen, und nach und nach abzutöten. Ihre gaukelnde Nachäffung, diese armselige Nachahmung der Wirklichkeit, worauf doch alles hinausläuft, zieht den Menschen von allen ernsten Betrachtungen ab, und verleitet ihn, seine angeborne Würde zu vergessen. Wenn unser innerer Geist uns zur Tugend antreibt, so lehren uns die mannigfaltigen Künstler sie verspotten; wenn die Erhabenheit mich in ihrer göttlichen Sprache anredet, so unterlassen es die Reimer oder Poeten nicht, sie mit Nichtswürdigkeiten zu überschreien. Und daß ich namentlich von der gepriesenen Malerei rede. – Ich habe den Maler, der mir Figuren, oder Bäume und Tiere auf Flächen hinzeichnet, nie höher angeschlagen, als den Menschen, der mit seinem Munde Vögel- und Tiergeschrei nachzuahmen versteht. Es ist eine Künstelei, die keinem frommt, und die dabei doch die Wirklichkeit nicht erreicht. Jeder Maler erlernt von seinem Meister eine gewisse Fertigkeit, einige Handgriffe, die er immer wieder anbringt, und wir sind dann gutmütige Kinder genug, uns vor sein Machwerk hinzustellen, und uns darüber zu verwundern. Wie da von Genuß der Kunst die Rede sein kann, oder von Schönheit, begreife ich nicht, da diese Menschen die Begeisterung nicht kennen, da ihre Schöpfungen nicht aus schönen Stunden hervorgehn, sondern sie sich des Gewinstes wegen niedersetzen und Farben über Farben streichen, bis sie nach und nach ihre Figuren zusammengebettelt haben, und nun den Lohn an Geld dafür empfangen. Wie sollen diese knechtischen Arbeiter auf edle Seelen wirken können, da sie es selber nicht einmal wollen? Sie dienen höchstens der Sinnlichkeit, und trachten vielleicht, elende Begierden zu erwecken, oder uns ein Lächeln über ihre verzerrten Gestalten abzuzwingen, damit sie doch irgendwas hervorbringen. Ich meine also, daß man auf jeden Fall seine Zeit besser anwenden könne, als wenn man sich mit der Kunst beschäftiget.«
    Franz konnte sich im Unwillen nicht länger halten, sondern rief aus: »Ihr habt nur von unwürdigen Menschen gesprochen, die keine Künstler sind, die die Göttlichkeit ihres Berufs selber nicht kennen, und weil Ihr Euer Auge nur auf diese wendet, so wagt Ihr es, alle übrigen zu verkennen. O Albert Dürer! wie könnte ich es dulden, daß man so von deinem schönsten Lebenslaufe sprechen darf? Ihr habt entweder noch keine guten Bilder gesehn, oder die Augen sind Euch für ihre Göttlichkeit verschlossen geblieben, daß Ihr Euch erkühnt, sie so zu lästern. Es mag gut sein, wenn in einem Staate alles zu einem Zwecke dient, es mag in gewissen Zeiträumen nötig sein, für das Wohl der Bürger, für die Unabhängigkeit, daß sie nur ihr Vaterland, nur die Waffen, die bürgerliche Freiheit, und nichts weiter lieben; aber Ihr bedenkt nicht, daß in solchen Staaten jedes eigene Gemüt zugrunde geht, um nur das allgemeine Bild des Ganzen aufrecht zu erhalten. Die Güter, um derentwillen dem Menschen die Freiheit teuer sein muß, die Regung aller seiner Kräfte, die Entwickelung aller Schätze seines Geistes, diese kostbarsten Kleinodien müssen wieder aufgeopfert werden, um nur jene Freiheit zu bewahren. Über die Mittel geht der Zweck verloren, nach welchem jene Mittel streben sollten. Ist es nicht die herrlichste Erscheinung, den Menschengeist kühn in tausend Richtungen, in tausend mannigfaltigen Strömen, wie die Röhren eines künstlichen Springbrunnens, der Sonne entgegenspielen zu sehn? Eben daß nicht alle Geister ein und dasselbe wollen ist erfreulich. Darum laßt der unschuldigen kindischen Kunst ihren Gang, denn sie ist es doch, in der sich am reinsten, am lieblichsten, und auf die unbefangenste Weise die Hoheit der Menschenseele offenbart, sie ist nicht ernst, wie die Weisheit, sondern ein frommes Kind, dessen unschuldige Spiele jedes reine Herz rühren und erfreuen müssen. Sie drückt den Menschen am deutlichsten aus, sie ist Spiel mit Ernst gemischt, und Ernst durch Lieblichkeit gemildert. Wozu soll sie dem Staate, der

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